Handwerkskunst Sensoren arbeiten am Webstuhl mit
Krefeld · Das Haus der Seidenkultur in Krefeld ist an einem internationalen Projekt zur Bewahrung alten Handwerks beteiligt.
Der Vorstand des Hauses der Seidenkultur strahlt geradezu vor Glück: Wurde das Museum doch als einziges in Europa in ein dreijähriges Projekt aufgenommen, das sich ehemaliger Handwerkskunst widmet. „Mingei: Darstellung und Bewahrung alter Handwerke” heißt die Studie, die in Krefeld die Arbeitsvorgänge in Sachen Seide von der Idee bis zum fertigen Produkt erfasst, digitalisiert und der Welt bald auf einer Internet-Plattform erklärt. Jetzt fand ein dreitägiger Workshop mit 20 Teilnehmern aus neun EU-Ländern an der Luisenstraße statt.
„Mingei“ ist japanisch und bedeutet: Kunst von Menschen für Menschen. „Es untersucht die Möglichkeiten der Darstellung aller Aspekte des Handwerks als Kulturerbe und wie dieses zugänglich gemacht werden kann“, berichtet Xenophon Zabulis, der Sprecher von Mingei. „Die Bedeutung und Dringlichkeit, die alten Handwerke zu bewahren, wird unterstrichen, da einige vom Aussterben bedroht sind.“ Und auch die Menschen, die diese Handwerke noch ausüben können, werden älter.
Schritte können im technischen Atelier nachvollzogen werden
Deshalb schlüpfte der frühere Textilingenieur Dieter Blatt in einen schwarzen, rund 30 000 Euro teuren Computeranzug samt Accessoires. Vom Haarband über die Handschuhe bis in die Fingerspitzen und die Socken ist das Kleidungsstück mit Sensoren ausgestattet, die jede seiner Bewegungen aufnehmen und auf einen Bildschirm werfen.
So können die gesamten handwerklichen Schritte im technischen Atelier, genau nachvollzogen werden: Blatt arbeitet als Musterzeichner, Patroneur oder Kartenschläger bis hin zum Weber. „Die Bewegungsabläufe werden bis ins kleinste Detail aufgenommen“, berichtet Vorstandsmitglied Ilka Neumann. Dieter Brenner, Pressesprecher des Vereins Haus der Seidenkultur, erklärt zur Wertigkeit des Krefelder Museums: „Wir haben als einzige in Europa einen original hölzernen Jaquardwebstuhl an authentischer Stelle.“
Vor zwei Wochen kam eine Vorab-Delegation an die Luisenstraße, um sich ein erstes Bild zu machen. Jetzt weilten 20 Leute aus halb Europa dort und nahmen an diesem Workshop teil. Neben den Sensoren-Aufnahmen von Körperbewegungen ging es um Vor-Ort-Beobachtungen, Gespräche, Audioaufzeichnungen oder Fotografien. „Wir werden künftig noch Schriften, Texte zur Geschichte und Filme beisteuern“, erklärt Brenner. „Wir haben eine Flut von Materialien.“
Nur noch zwei Handwerke
werden digitalisiert
Neben der Webkunst im Krefelder Museum werden im Mingei-Projekt nur noch zwei Handwerke digitalisiert: Die Arbeit einer Glasbläserei in Frankreich und die Gewinnung von Mastix, dem Gummiharz der Pistazienbäume in Griechenland.
Das Haus der Seidenkultur befindet sich in prominenter Gesellschaft: Es sind insgesamt neun Teilnehmer aus sieben europäischen Ländern in diesem Mingei-Projekt dabei. Darunter sind Organisationen wie das Pariser Conservatoire national des arts et métiers, eine anerkannte Hochschule, die dem Ministerium für Erziehung, Hochschulwesen und Forschung zugeordnet ist, oder der Consiglio Nazionale delle Ricerche, eine italienische Behörde, die die Aufgabe hat, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in allen Wissenschaften zu fördern.
Hansgeorg Hauser als Vorsitzender des teilnehmenden Museums in Krefeld freut sich: „Wir werden bald nicht nur weltweit zu sehen sein, sondern auch eine App besitzen, mit der unsere Besucher durch den Websaal gehen und alle handwerklichen Vorgänge nachvollziehen können. Am Jaquardwebstuhl werden sie so unter anderem die Verarbeitung jedes einzelnen Fadens beobachten können.“