Haus Lange: Franz Erhard Walther erzählt "Ein Leben in 524 Bildern"
In einem gezeichneten Roman erzählt Franz Erhard Walther, wie er Künstler wurde.
Krefeld. Wie ein alter Bekannter kommt er vorbei und breitet seine Erinnerungen aus: auf 524 Seiten, in feinen Zeichnungen und eng beschriebenen Zeilen. Franz Erhard Walther, in den 60ern ein Pionier und Provokateur auf der Suche nach alternativen Ausdrucksformen der Kunst, schaut in einer monumentalen Ausstellung zurück auf sein Leben. „Sternenstaub“ in Haus Lange zeigt in den Bildern und Anekdoten eines gezeichneten Romans, wie ein Kind aus Fulda zum Künstler wurde.
Die Geschichte beginnt 1942 mit einem nackten Knaben auf einer Dorfstraße, erzählt von Geschossen, die nahebei einschlagen, von den ersten Zeichnungen, mit denen die Kunst für ihn zum „Zauberort“ wird. Er ist acht Jahre alt, als er Zeichnen als Teil seines Lebens entdeckt, „so selbstverständlich wie das Atmen, Sprechen, Essen und Trinken“.
Mit 15 sieht er sich als Künstler, statt als Juniorchef einer Keks- und Zwiebackfabrik, zu dem die Familie ihn machen will. Fulda, sagt Walther heute, sei eine „kunstferne“ Umgebung: „Keine nennenswerten Galerien, keine Sammlung, nur ein Übermaß an Geschichte“.
Es ist fesselnd, dem 72-Jährigen zuzuhören, und faszinierend ist auch, wie er sein Leben in der Ausstellung zu Momenten verdichtet, in flüchtigen Skizzen und präzisen Illustrationen, in einer Sprache, die wie ein Bewusstseinsstrom über das Papier fließt.
Auf Fotos, in Briefen und Tagebüchern sowie durch Gespräche mit Wegbegleitern hatte Walther rund 2400 solcher Geschichten gesammelt. Manche waren ihm zu persönlich, andere zu banal: Genommen hat er am Ende nur das, was ihn zum Künstler reifen ließ. Dass er trotzdem in zwei Jahren 524 Blätter schuf, macht den Besuch der Ausstellung zu harter Arbeit — bei der jedoch jede Minute Mühe lohnt.
Dass Walther dieses Resüme eines Künstlerlebens ausgerechnet in Krefeld zieht, hat Sinn. Seit 1969 hat er öfter hier ausgestellt und war auch als Besucher in den Mies-Villen. Für ihn waren sie „ein tröstender Ort“, an dem die Avantgarde zu Hause war, die er anderswo vergeblich suchte.
Mit dem Jahr 1973 endet diese besondere Autobiografie im ehemaligen Kinderzimmer des Hauses Lange. Ob und wie er sein Mammutwerk fortsetzt, weiß Walther noch nicht. Inspiration, sagt er, fällt für ihn meistens vom Himmel wie Sternenstaub.