Im Mahlstrom des Meisters
Max Goldt ist älter geworden und etwas fülliger. Seine Sprache trifft immer noch ins Schwarze.
Krefeld. Diese Veranstaltung dauert zwei Stunden, 27 Minuten. Es ist aber keine Oper, die Pause gibt’s auch nicht nach dem zweiten Akt, sondern nach einer Stunde, und Ort des Geschehens ist die Volkshochschule. Max Goldt, Meister der Kolumnenkunst, den seine Generation zu ihren Sprachgewaltigsten zählt, beehrt seine Anhänger mit einer Lesung — und keiner wird seiner müde.
Vor 20 Jahren sei er zuletzt hier gewesen, hat es in dieser Zeitung geheißen. Das korrigiert der Meister. Das erste Mal, so Goldt, war er 1989 in Krefeld. Daran könne er sich gut erinnern, weil es kurz nach dem Mauerfall gewesen sei. Und dann noch zweimal, zuletzt vor 17 Jahren.
„Ist das ein Double, oder ist er einfach nur älter geworden?“, tuschelt eine Dame in der vierten Reihe. Mit ein wenig Fantasie kann man ihn aber erkennen. Ein wenig fülliger geworden, ein wenig ergraut — Anti-Aging ist offenbar kein Thema für ihn. Das ist doch sympathisch.
Mit einer säuselnden Baritonstimme, die er regelmäßig an- und abschwellen lässt, brummt er wohlgefällig in den Saal, der fast komplett gefüllt ist. Er liest nach festgelegtem Programm, die zweieinhalb Stunden hat er offenbar durchgeplant. „Jetzt kommt ein Text, den ich 2009 geschrieben habe.“ — „Diesen Text habe ich in meinem vorletzten Buch veröffentlicht“, und so fort.
Die Anhänger lauschen dem Bariton-Mahlstrom des Meisters mit höchster Konzentration. Bloß keine Pointe verpassen. Alle anderthalb bis drei Minuten durchläuft ein Lacher den Saal. Der Meister blickt dann nicht auf, schaut weiter in sein Skript und spricht ansatzlos in die Stille nach dem Lacher hinein. Keine Pause.
Der Meister liest aus seinem neuen Buch „Die Chefin verzichtet“, nach der Pause mischt er auch ältere Texte ins Programm. Die Pointendichte nimmt zu. „Manchmal ist er aber auch sehr ernst“, hat die Dame in der vierten Reihe noch im ersten Teil getuschelt, jetzt wirkt sie gelöster.
Am Ende erhebt sich Goldt, tritt drei Schritte vor, verbeugt sich. Ein wenig ist diese Lesung doch wie ein Schauspiel. Warum ist sie nur so lang? Weil der Meister überzeugt ist von sich und seiner Textkunst? Seine Anhänger sind es auch. Und wer wissen will, worum es im Detail geht, der lese das Buch. Es ist zu empfehlen.