Industriegeschichte liegt ihr am Herzen
Die Historikerin Stefanie van de Kerkhof forscht mit Hilfe von Zeitzeugen in den Branchen Textil, Chemie und Maschinenbau.
Das Interesse an Neuem, die Neugier auf Zusammenhänge - das gehört zu den Triebfedern der Krefelderin Stefanie van de Kerkhof. Die Historikerin wurde 1971 in Uerdingen geboren, studierte in Düsseldorf und Bochum, promovierte in Köln und kehrte dann nach Krefeld zurück. Das war vor gut zehn Jahren. Ihr Büro hat sie in Uerdingen, sie lebt im Stadtteil Cracau. Die Hälfte ihrer Arbeitswoche ist sie in Heidelberg oder Mannheim verpflichtet, denn dort hat sie Vertretungs- oder Gastprofessuren inne. Stefanie van de Kerkhofs Gebiet ist die Wirtschaftsgeschichte.
Sie hat zunächst einen breiten und vielfältigen Fächerkanon studiert: Romanistik, Geschichte, Kunstgeschichte, Politologie und Soziologie stehen in ihrem Studienbuch. Spezialisiert hat sie sich auf die Geschichte der Wirtschaft. An diesem Fach interessiert sie der Querschnitt durch die Wissenschaft: „Ich finde die Verknüpfungen verschiedener Methoden spannend. Die verschiedenen Disziplinen stehen an der Wiege dieses Faches.“ Es geht also in ihrem Fach nicht nur um eine Epoche oder ein bestimmendes Ereignis. Sondern um zeitliche und inhaltliche Verflechtungen. Zum Beispiel bei der Forschung zu Industriegeschichte und Konsum, wo Entwicklungen von Unternehmen, von Produkten und etwa gleichzeitig entstehende Architektur betrachtet werden.
Diesen Aspekt wird Stefanie van de Kerkhof mit Bezug zum Bauhaus-Jubiläum 2019 untersuchen — Forschung in der Heimat. Um weitere Quellen zu erheben, bietet Stefanie van de Kerkhof an der Volkshochschule eine Geschichtswerkstatt für Zeitzeugen an. In Kooperation mit dem Stadtarchiv und dem Haus der Seidenkultur finden Treffen statt, bei denen mündliche Erinnerungen aus den Branchen Textil, Chemie und Maschinenbau gesammelt werden.
Darin kennt van de Kerkhof sich aus: Sie veröffentlichte jüngst den einführenden Beitrag zu einem Tagungsband über Industriekultur. Auf ihrem Schreibtisch liegen die Druckfahnen zu ihrer Habilitationsschrift: „Wir produzieren Sicherheit!“ Das Buch über „Rüstungsmarketing bundesdeutscher Heerestechnikunternehmen im Kalten Krieg“ wird in diesem Jahr erscheinen. Allen ihren Publikationen ist eines gemeinsam: „Wirtschaftsgeschichte muss unabhängig von den Unternehmen verfasst werden“, sagt sie. Hofberichterstattung ist nicht ihre Auffassung von Forschung.
Deutlich wird die Breite ihrer Interessen auch an der langen Liste von Veröffentlichungen, Herausgaben und betreuter Abschlussarbeiten. Aenne Burda und kolumbianische Rebellen, Geschlechterfragen in deutschen Unternehmen oder das Rheinsche Manchester sind nur ein paar Aspekte. Den Grundstock ihrer umfassenden Kenntnisse hat Stefanie van de Kerkhof schon in der Schulzeit erworben: „Ich lese gern und schnell“, sagt sie, „und ich mag mich nicht langweilen.“ Den Bestand der Uerdinger Bücherei hatte sie daher mit 16 schon durch. Sie sagt mit dem ihr eigenen Humor: „Ich war als Kind ein Bücherstaubsauger. Ich hätte die goldene Abo-Karte verdient.“
Das Gymnasium am Stadtpark leitete damals die in diesem Jahr verstorbene Maria Hock. „Sie hat mich auf den Gedanken gebracht, Geschichte zu studieren“, sagt Stefanie van de Kerkhof. Sie ist die erste Akademikerin in der Familie. Ihr Vater war Bäckermeister und Konditor. Das Interesse aber an den Dingen der Heimat und der Welt war in der Familie sehr ausgeprägt. Stefanie van de Kerkhof erinnert sich an den gedeckten Tisch bei den Großeltern, die ihr Krieewelsch Platt nahegebracht haben: „Es lagen immer die Bibel, der Duden und das Lexikon neben dem Teller — zur Klärung von Streitfragen.“