Interview mit Curse: „Ich will die Leute berühren“
Seit fast zehn Jahren steht Curse für intelligenten deutschen Hip-Hop mit Botschaft. Anfang Mai kommt er in die Kufa.
Du kommst statt aus Berlin oder Hamburg aus der ostwestfälischen Provinz. Inwiefern hat deine Herkunft deinen Stil geprägt?
Curse: Ich war von Anfang an freier. Ich bin nicht in einer Clique groß geworden, die schon einen Style hatte, und musste mich nie emanzipieren. Ich bin aus dem absoluten Off gekommen, mit der Chance, meinen eigenen Film zu fahren. Minden ist auch nicht gerade Heidelberg, das ist keine Stadt der Dichter und Denker. Es ist rau, aber trotzdem eine Kleinstadt. Und so ist auch meine Musik: Ich bin kein Gangsta-Rapper, sondern ein "Storyteller", aber meine Sachen sind nicht soft, sie haben "Edge".
Curse: Meine Eltern haben immer gut auf mich aufgepasst, wenn du das meinst. Ich komme aus einer intakten Familie, habe beide Eltern als Vorbilder gehabt. Aber wir waren nicht stinkreich. Ich habe nicht die neuesten Polo-Hemden getragen. Und eine Yacht hatten wir auch nicht.
Curse: Das kommt drauf an, wer es sagt. Ich kenne Leute aus meinem eigenen engen Freundeskreis, die aus Mülltonnen gegessen haben, als sie nach Deutschland gekommen sind. Ich bin mit diesen Dingen konfrontiert worden, aber dank meiner Eltern musste ich sie nie erleben. Es gibt solche Realitäten in Deutschland, es macht keinen Sinn, das zu leugnen.
Curse: Das war ein innerer Zwiespalt. Als die deutsche Hip-Hop-Szene zu florieren begann, habe ich englischsprachigen Rap gehört. In der deutschen Szene gab es noch viele peinliche Nummern. Aber als es anfing, richtig zu brodeln, war ich voll dabei.
Curse: Ich fand es einfach geil, dass deutscher Rap endlich mal wahrgenommen wurde. Und die Fantas hatten ja auch zwei, drei gute Beats und ein, zwei gute Reime. Mich hat das motiviert, was die gemacht haben - aber ich fand, das geht noch viel geiler.
Curse: Ich sage nicht bewusst: Mit Sex und Gewalt will ich nichts zu tun haben. Ich suche einfach nach Themen, die mich motivieren, die mich betreffen. Bei vielen dieser Jungs geht es eher darum zu provozieren und möglichst schnell Aufmerksamkeit zu bekommen. Die sitzen zu Hause und überlegen: Mann, der hat 20 Leute gedisst, dann muss ich jetzt 40 Leute dissen. Aber mir ist das zu billig.
Curse: Natürlich geht es auch mir um Aufmerksamkeit. Aber ich will sie lieber dadurch bekommen, dass ich der Beste bin, die krassesten Inhalte habe, meine Songs die Leute berühren. Ich finde es gut, wenn Jugendkultur Tabus bricht und Grenzen überschreitet. Aber es darf nicht zum Selbstzweck werden.
Curse: Sido und Bushido werden älter und stellen vielleicht fest: Das Leben ist mehr, als nur crazy krass zu sein. Die wollen auch mal ihren Kindern eine Platte von sich vorspielen. Ich kann mich als 30-Jähriger nicht aufführen, als wäre ich 18.
Curse: Ich ziehe eine Menge daraus. Man kann von Marius halten, was man will, aber er ist eine Legende der deutschen Popkultur. Er ist ungefähr so alt wie mein Vater. Und wenn ich mich mit ihm hinsetze und er mir Sachen erzählt, das gibt mir echt viel. Der gehört nicht zu den Leuten, die ihren Kram machen und sich dann verpissen. Der interessiert sich, hört meine Alben und macht sich Gedanken.
Curse: Auf den Gedanken kann man kommen. Wenn ich mit Silbermond arbeite, eröffnet mir das auch eine neue Hörerschaft, und Silbermond kann sich durch mich "vercoolen". Das ist ja das Geile an solchen Kollaborationen - es ist eine Win-Win-Situation.
Curse: Man macht so was nicht, um Asche zu machen. Damit kann man schön auf die Schnauze fallen. Man macht das, um einen geilen Song aufzunehmen. Wenn der sich nicht verkauft, bist du wenigstens mit dir im Reinen.