Wie und wann begann Ihre Liebe zur Mandoline?
Interview „Wir erleben eine Renaissance der Mandoline“
Krefeld · Interview Der israelische Mandolinist Jacob Reuven gastiert beim 3. Sinfoniekonzert im Seidenweberhaus. Er verrät, was für ihn die Kraft des Instruments und der Musik ausmacht, und wieso ihm, wenn er an Deutschland denkt, vor allem Musik und Kunst in den Sinn kommen.
Jacob Reuven ist Solist bei dem Konzert der Niederrheinischen Sinfoniker – unter der Leitung von Pavel Baleff – am 10. und 13. Dezember im Seidenweberhaus. Auf dem Programm stehen neben Mandoline, Strawinsky und Haydns Sinfonie „Mit dem Hornsignal“. Wir haben mit dem Mandolinisten unter anderem über sein Instrument und die Kraft der Musik gesprochen.
Jacob Reuven: Ich war recht jung, um die sieben Jahre alt. Meine Eltern, insbesondere meine Mutter, wollten einen Gegenpol zum Kindergarten und so suchten sie nach einem der taffsten russischen Lehrer am Konservatorium. Es wurde Simha Nathanson, der dort Professor für Mandoline war. Meine Mutter nahm mich zu einem Mandolinen-Konzert, mit um die 40 Mandolinisten, und ab dem Moment, als ich den ersten Tremolo-Klang dieser vierzig Mandolinen hörte, war ich verliebt. Es war der natürlichste Klang, den ich je gehört hatte. Ich wurde hineingezogen und diesen anderthalb Stunden hörte ich nur mit dem einen Gefühl zu, dass es doch bitte nicht enden wollen solle.
War der Lehrer wirklich so streng?
Reuven: War er. Zunächst muss man wissen, dass man in Isreal Lehrer nicht beim Namen nennen darf. Man darf nur Professor sagen. Er war sehr fordernd und verlangte viele Stunden Übung. Er prüfte die Intonation, prüfte, ob man verinnerlicht hatte, was man spielte, ob man genug über den Komponisten gelernt hatte, ob man das Hauptthema der Komposition erfühlte – er war eine sehr interessante Persönlichkeit. Sehr philosophisch – er malte, er spielte Violine. Es war fast ein bisschen wie Michelangelo persönlich zu treffen.
Wie ist die Philosophie der Art wie Sie nun selbst Mandoline spielen? Was ist die Magie dieses Instrumentes?
Reuven: Das Hauptmerkmal der Schule, die ich versuche zu gestalten, ist, dass wir daran arbeiten, die Mandoline in einer ähnlichen Weise zu entwickeln, wie die Violine oder das Cello in den letzten zwei bis dreihundert Jahren behandelt wurde. Man findet im Repertoire für Mandoline keine großen Namen wie Bach, Beethoven oder Brahms – wobei die Mandoline gestimmt ist wie eine Violine. Deshalb machen wir meistens Arrangements von Violinenliteratur für Mandoline. Es gibt eine große Lücke zwischen dem begrenzten Mandolinen-Repertoire und beispielsweise einer Mozart-Sonate. Der Anspruch ist derart unterschiedlich, dass der Musiker sich zehnmal mehr zu entwickeln hat.
Also versuchen Sie die Mandoline aus ihrem originalen Biotop in eine höhere Sphäre zu heben?
Reuven: Ich bin nicht der Erste in der Geschichte, es gibt eine ähnliche Entwicklung bei der Flöte. Dort gab es auch den Schritt von der hölzernen Traversflöte zum heute metallischen Instrument, das sehr weit entfernt ist vom ursprünglichen. Die Schule, die ich verfolge, brauchte zwei Dinge. Erstens daran zu glauben, dass die Mandoline viel Potential hat und zweitens, ein Instrument, das einem in den Möglichkeiten nicht beschränkt. Ich spiele auf einer sehr besonderen Mandoline, die mir half, diese Richtung einzuschlagen.
Können Sie uns davon berichten, was diese Mandoline so besonders macht?
Reuven: Als wir begannen, Violinenrepertoire für Mandoline zu nutzen – es war um die 80er, 90er Jahre herum – gab es zeitgleich einen Mann, Arik Kerman, er ist ein wahrer Künstler, der begonnen hatte über die Natur des Mandolinenbaus zu forschen. Er fand heraus, dass die Tradition des Mandolinenbaus so merkwürdig ist, dass die Mandolinenbauer nicht in der Lage waren oder sogar nicht willens waren, sich auf Veränderungen einzulassen. Doch er wollte einen Wandel und versuchte eine Mandoline in einer ähnlichen Weise zu bauen, wie man es sonst bei Violinen zu tun pflegt. Er veränderte den Leim, den Lack, die Form; er erreichte eine große Stabilität im Innern, dem Teil der Mandoline, die für die Resonanz verantwortlich ist. Dreißig Jahre forschte er, wie es möglich sein kann, ein Instrument auf die Bühne zu bringen, auf der man sowohl die Bach Chaconne als auch etwa Introduction et Rondo Capriccioso von Saint-Saëns spielen könne. Wir sind so glücklich, dass er in Tel Aviv lebt – Mandolinenspieler aus der ganzen Welt genießen das künstlerische Niveau seiner Mandolinenbaukunst.
Was macht diesen besonderen Klang aus, der bei Transkription von Violinenliteratur auf Mandoline entsteht?
Reuven: Zunächst auf der direktesten Ebene kann man sagen, dass für ein Publikum, das schon mehrere hunderte von Aufführungen desselben Werkes für Violine erlebt hat, der neue Klang an sich durch die Mandoline sehr reizvoll ist. Aber es ist nur die Oberfläche. Viel macht meine persönliche Interpretation aus, wie es gelingen kann, der Musik Frische und Neuheit zu geben. Ohne allerdings die Mandoline in eine Situation zu bringen, dass sie etwas spielen müsse, was ihr nicht liegt. Man muss das Repertoire weise wählen und klug entscheiden, wie man das Repertoire arrangiert.
Sie werden in Krefeld keine Transkription, sondern ein Werk genuin für Mandoline spielen – Avner Dormans Mandolinenkonzert. Was erwartet den Hörer?
Reuven: Wir erleben eine Renaissance der Mandoline. Mit dem Stück ist es das erste Mal, dass ich ein Werk spiele, das ursprünglich für Mandoline geschrieben wurde und bei dem man spürt, dass es unmöglich wäre, es auf ein anderes Instrument zu übertragen. Bei Avner Dormans finden wir das für die Mandoline typische Tremolo bis an die Grenzen des Instrumentes ausgearbeitet. Er macht Dinge, die Art der Harmonien, der Fingersätze, die Effekte, die für jemanden der nicht Mandolinist ist, nicht zu spielen sind. Dieses Werk ist sehr kommunikativ und tritt intensiv mit dem Publikum in einen Dialog. 17 Minuten zwischen leichten einerseits und fast verrückt-virtuosen Motiven und währenddessen streift das Stück eine Vielzahl an Stilen. Es ist eine kleine Reise durch die stilistischen Möglichkeiten der Mandoline – jazzig, rockig oder auch italienisch.
Sie sind regelmäßig Deutschland – wenn Sie uns besuchen, was für Gefühle haben Sie?
Reuven: Die inneren Erinnerungen, die ich mit Deutschland verbinde, beziehen sich immer auf Kunst und Musik. Von Bach über Architektur bis zu den großen Künstlern. Aber Sie fragen vielleicht auch nach dem historischen Erbe von Deutschland und den Juden?
Möchten Sie gerne darüber sprechen?
Reuven: Meine Mutter hatte an der Universität zum Holocaust geforscht – sie besuchte mit Studenten immer wieder Deutschland und lehrte die Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Geschichte war immer sehr präsent bei uns Zuhause. Ich weiß nicht wieso, aber meine Verbindungen mit Deutschland waren immer musikalisch. Mit zwölf Jahren besuchte ich eine deutsche Musikerfamilie, spielte mit ihnen. Es war ein Austausch zwischen Israel und Deutschland. Heute bin ich häufig in Berlin, weil mein Agent dort lebt. Immer wenn ich mir vor Augen halte, wie Deutsche mit der jüdischen, israelischen Geschichte und der des Zweiten Weltkriegs umgehen, würde ich sagen: Es ist die tiefste und sensitivste Art, die ich bei einer Nation gesehen habe, die versucht mit einem traumatischen Teil ihrer Geschichte umzugehen.
Musik ist eine universelle Sprache – kann sie helfen, Menschen zusammenzubringen?
Reuven: Musik sagt alles, ohne ein Wort sagen zu müssen. Alles ist einfach da, jedes Mal, wenn ich auf der Bühne sitze. Die Sprache der Musik ist immer da, jenseits historischer oder anderer Spannungen. Aber ich würde nie naiv sagen wollen, dass um die Brücke deutsch-jüdische Geschichte zu überqueren, eine Lösung ausschließlich aus der Kunst oder Musik kommen könnte.
Karten für das 3. Sinfoniekonzert, 10. und 13. Dezember, jeweils 20 Uhr, (Seidenweberhaus, Theaterplatz 1) gibt es ab 23 Euro. Informationen an der Theaterkasse, telefonisch (02151) 805-125 oder online.