Klangkörper aus Krefeld: Mehr als ein Schifferklavier
Wolfgang Bratz stimmt und repariert Akkordeons. Der Weg zur eigenen Werkstatt war nicht immer leicht.
Krefeld. In der kleinen Werkstatt von Wolfgang Bratz stapelt sich das Holz. Blasebälge stehen im Regal, Bassteile und Verdecke liegen auf dem Tisch — Einzelteile von verschiedenen Akkordeons, die Bratz gerade herrichtet. Schon seit 20 Jahren stimmt und repariert Wolfgang Bratz an drei Tagen in der Woche die Instrumente. An den anderen beiden Tagen unterrichtet er Akkordeon an der Musikschule in Velbert.
„Manche wissen gar nicht, dass sich ein Akkordeon verstimmen kann“, erklärt der 50-Jährige. „Aber ich sage immer: Ein Akkordeon ist wie ein kleiner Staubsauger.“ Der Staub setze sich ab und beeinflusse so die Stimmung des Instruments. Um die Bassmechanik vom Staub zu befreien, nimmt Bratz das Akkordeon komplett auseinander und baut es danach wieder zusammen. Damit es wieder in der richtigen Tonlage klingt, bearbeitet Bratz den Stimmstock.
Um ein großes Instrument zu stimmen, braucht er zwei Tage. „Trotzdem kann der Besitzer es erst nach zwei Wochen abholen. Ich lasse es nach dem ersten Stimmen eine Woche stehen, bis sich die Spannungen wieder abgebaut haben, und stimme es dann fein nach“, erklärt Bratz. Dafür hat der Besitzer danach Ruhe: „Das hält dann fünf bis zehn, manchmal sogar 20 Jahre.“ Instrumente zu stimmen, ist die Hauptaufgabe von Bratz, aber auch verschiedene Reparaturen erledigt er.
„Ein Gehäuseriss kommt zum Beispiel vor, wenn das Akkordeon gefallen ist“, berichtet Bratz. Auch die Blasebälge der Akkordeons, die aus Pappe hergestellt werden, kann er bis zu einem gewissen Grad reparieren. „Wenn eine Falte eingeknickt ist, kann ich das wieder herrichten, da habe ich eine Technik entwickelt. Sonst muss man einen neuen Balg kaufen“, sagt er.
Wolfgang Bratz kennt sich sowohl im handwerklichen als auch im musikalischen Bereich aus. „Mein erstes Akkordeon habe ich mit sieben Jahren bekommen“, erinnert er sich. „Das war einfach mein Instrument.“ Seitdem habe er „konstant durchgespielt“.
Bevor er Akkordeon in Essen studiert hat, hat er eine Werkzeugmacherlehre absolviert. „Darum kamen schon während des Studiums meine Kommilitonen, wenn es etwas zu reparieren gab.“
Der Weg zur eigenen Werkstatt war trotzdem nicht leicht. Weil er keinen Meistertitel hat, musste er für die Industrie- und Handelskammer in Süddeutschland bei einem Handzuginstrumentenmachermeister eine Prüfung ablegen. „Mit dem Ergebnis: absolute Niete“, erinnert sich Bratz lachend. Er habe dann Einspruch erhoben, seitdem ist sein Gewerbe angemeldet.
Mit Begeisterung erklärt Bratz die Einzelteile der Instrumente, zeigt Stimmzungen und Stimmstöcke. Die Liebe zu seinem Instrument hat er über die Jahre nicht verloren, das ist ihm anzumerken. „Mit dem Akkordeon kann man die Musik so richtig in den Arm nehmen. Das finde ich genial“, sagt Bratz enthusiastisch.
Das weit verbreitete Bild vom Schifferklavier störe ihn nicht, auch wenn er sich nicht damit identifizieren könne. „Meistens lache ich darüber“, meint er. Denn ihm gefalle gerade, dass er mit dem Instrument „alles spielen kann“, auch wenn er selbst kaum noch Zeit zum Spielen hat. An zwei Konzerten im Jahr nimmt Bratz noch teil, sonst ist er entweder in der Musikschule oder in seiner Werkstatt. Da hatte er gerade vor Weihnachten genug zu tun, damit aus den Einzelteilen rechtzeitig bis zum Fest wieder ein Akkordeon entstand.