Tanz-Reihe Eröffnung des Festivals Move! legt Messlatte hoch

Krefeld · „Il Dolce Domani“ der Brüsseler Compagnie Giolisu begeistert das Publikum mit einem packenden Kammerspiel.

Ein Stuhl wird im Stück „Il Dolce Domani“ zu einer besonderen Requisite für ein Solo von Tänzerin und Choreografin Lisa Da Boit, die das Werk mit ihrer Kollegin Celine Curvers geschaffen hat. Mit ihrer Compagnie Giolisu eröffneten sie das Tanzfestival Move!

Foto: Martin Coiffier

Achtzehn Festivals in einem Vierteljahrhundert – das ist die Erfolgsgeschichte der Tage für modernen Tanz in der Fabrik Heeder. Entsprechend glanzvoll war jetzt die Eröffnung des 18. Festivals, das bis 23. November in Krefeld läuft. Oberbürgermeister Frank Meyer betonte die Bedeutung der Fabrik Heeder als „tollen Ort“ und die besondere Rolle Krefelds im stabilen Netzwerk des Tanzes in NRW. Außerdem dankte er dem Land und der Kunststiftung für die beständige Förderung.

Deren Vertreterinnen, Bettina Milz (Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW) und Christine Peters (Kunststiftung NRW) hoben ebenfalls in ihren Grußworten die besondere Bedeutung des Festivals für den modernen Tanz hervor. Christine Peters betonte darüber hinaus, dass das Festival Move! mit seinem Länderschwerpunkt auch den transkulturellen Austausch fördere.

Eine faszinierende Reise
in die Vergangenheit

Diesmal sind drei Compagnien aus Belgien zu Gast. Die in Brüssel ansässige Compagnie Giolisu übernahm jetzt den Auftakt. „Il Dolce Domani“ heißt das knapp einstündige Werk, das die Tänzerinnen und Choreografinnen Lisa Da Boit und Celine Curvers gemeinsam geschaffen haben. Auch wenn im Titel ein „süßer Morgen“ anklingt, ist das Stück vor allem eine faszinierende Reise in die Vergangenheit.

Drei Männer (Rudi Galindo, Jean-Marc Fillet und Rolando Rocha) und eine Frau (Choreografin Lisa Da Boit) treffen sich nach Jahren in einem alten Ballsaal wieder. Ein großformatiges Blumenstillleben, ein paar alte Stühle, ein Kristalllüster sind die wenigen Requisiten, die eine nostalgische Atmosphäre heraufbeschwören.

Zu Beginn vollenden zwei der Männer ihre Kleidung, die sie einem altmodischen Koffer entnehmen. Alle drei sind korrekt in Anzüge gekleidet. Neben den Braun- und Grautönen setzt sich das rote Kleid der Frau umso deutlicher ab. Zunächst trägt sie einen Mantel und alle vier formieren sich zu einem Familienporträt. Alte Fotos befinden sich auch auf der linken Bühnenseite. Einer der Männer hat sie dort befestigt und zusammen mit Laternen und einer kleinen Madonnenfigur eine Art Hausaltar errichtet.

Die Vergangenheit ist omnipräsent und vor diesem Hintergrund versuchen die Vier erneut, Beziehungen zu knüpfen. Es kommt zu einer Vielzahl unterschiedlicher Konfrontationen, die extremen emotionalen Schwankungen ausgesetzt sind. Mal begegnet man sich mit großer Dynamik und starkem körperlichen Einsatz, der auch Züge eines Zweikampfes trägt. An anderer Stelle tanzt die Frau mit einem der Männer einen lässigen Tango. Doch dann bleibt wieder jeder für sich, allein auf sich zurückgeworfen.

Ein starkes Bild dafür ist der umgekippte Stuhl, auf dem einer manchmal minutenlang verharrt. In einem eindrucksvollen Solo tastet sich die Frau mit ihrem ganzen Körper am Stuhl entlang, scheint fest mit ihm verbunden zu sein. Das Gefangensein in Beziehungsstrukturen, die Versuche, daraus auszubrechen, und die zarten Momente des Glücks – all das setzt die Choreografie in unglaublich dynamische Bewegungsabläufe um, die den Tänzern physisch viel abverlangen. Das Bühnenbild und auch der sehr wechselhaft gestaltete musikalische Sound unterstreichen den theatralischen Charakter des Stücks.

Die Facetten der Liebe in
allen ihren Schattierungen

Wie es in der Ankündigung heißt, war Michael Haneckes Film „Liebe“ eine wichtige Inspirationsquelle. Dort werden die Facetten der Liebe mit all ihren Licht- und Schattenseiten dem Zuschauer schonungslos offenbart. Etwas gemäßigter endet das Stück hier. Zwar scheint auch die Frau am Ende tot zu sein und zu den melancholischen Klängen eines Chansons bleiben die drei Männer mit einem Lächeln zurück. Nach den Schatten der Vergangenheit gibt es vielleicht doch einen süßen Morgen.

Das Publikum zeigte sich von diesem packenden Kammerspiel begeistert. Nach diesem niveauvollen Auftakt ist die Messlatte des Festivals wieder hoch angesetzt.