Analyse Kulturpolitik: „Fördern, was es schwer hat“

Krefeld · Entlang des Positionspapiers „Kulturpolitik als Stadtpolitik“ des Deutschen Städtetages hat nun die Verwaltung die Lage in Krefeld analysiert und mögliche Perspektiven in Augenschein genommen. Wir stellen die wichtigsten Punkte vor.

 Das Format „Move in town“ bringt zeitgenössischen Tanz an besondere Orte in der Stadt, wie hier 2016 die Performance „Under the Bridge“ von dem Künstler-Duo Hartmannmueller.

Das Format „Move in town“ bringt zeitgenössischen Tanz an besondere Orte in der Stadt, wie hier 2016 die Performance „Under the Bridge“ von dem Künstler-Duo Hartmannmueller.

Foto: Andreas Bischof Tel.+49(0)171285

Im September 2015 veröffentlichte der Deutsche Städtetag ein Positionspapier mit dem Titel „Kulturpolitik als Stadtpolitik“. Darin wird der Versuch unternommen, Konsequenzen aus gesellschaftlichen Veränderungen für das Handeln und Planen von städtischer Kulturpolitik zu ziehen. Um gesamtgesellschaftlichen Prozessen in kulturpolitischen Strategien begegnen zu können, bedürfe es einer Neupositionierung von Räten und Verwaltungen innerhalb der städtischen Gesamtentwicklung – kurz, Kulturpolitik solle über den Tellerrand hinaus betrieben werden.

„Kulturpolitik als Stadtpolitik“ aus Krefelder Perspektive

Bezugnehmend auf dieses Positionspapier beauftragte 2016 die SPD im Stadtrat die Verwaltung, in dem Papier angesprochene Themenfelder auf die Situation in Krefeld hin zu reflektieren, aufzuzeigen was der Statur quo sei und vor allem auch, wohin die kulturelle Entwicklung der Stadt sich in Zukunft bewegen solle. Nun hat man im Kultur- und Denkmalausschuss ein Papier vorgelegt, das als Grundlage für weitere Planungen dienen soll und kann. Ziel sei es, die dort geschilderten Aspekte und Ansätze 2020 in einen „Kulturrahmenplan“ zu überführen und schließlich 2021 zu präsentieren.

Eines der Fazits der aktuellen Verwaltungsvorlage ist eine für die Kulturszene der Stadt sehr erfreuliche Feststellung: „Entwicklung und Profilierung der Krefelder Kultur wird weiterhin dem Credo ,Fördern, was es schwer hat’ verpflichtet sein.“ Das heißt, die Stadt möchte bewusst Kultur fördern, die es nicht ganz so leicht hat, die eine Nische ist, vielleicht auch mal sperrig oder eben kein Mainstream. Kunst und Kultur, schreibt man weiterhin, solle zudem möglichst niederschwellig erlebbar sein. In diesem Kontext ist auch Entgeltfreiheit für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren für alle drei städtischen Museen sowie die Mediothek zu sehen oder auch die Behindertengerechtigkeit von Krefelder Kulturinstituten. Niedrigschwelligkeit – und das ist sehr wichtig – heiße aber nicht, „dass man alles auf Mainstream-Niveau absenkt“.

Wir werfen einen näheren Blick auf die einzelnen Themenfelder:

Kulturpolitik ist gestaltende Entwicklung der Stadt“ Das bedeutet, dass kulturpolitische Entscheidungen auch jenseits der eigentlichen Kulturorte und der Institutionen Einfluss auf das Stadtbild und das Leben darin haben. Was mit einem Museum oder einer Mehrzweckhalle passiert, wie sich die Übergangsräume zwischen den Institutionen gestalten oder auch welcher Raum der Kultur in stadtplanerischer Prozessen zugedacht wird, beeinflusst die Entwicklung einer Stadt. In dieses Themenfeld fallen auch mögliche Zwischen-, Um- oder Nachnutzungen öffentlicher Räume als Kulturorte. Hierzu erwähnt das Papier beispielhaft die Tanzperformance „Move in town“ die Kultur – zwar nur punktuell – in den Stadtraum bringe. Wenngleich man betont, dass eine systematische Nutzung von leerstehenden Räumlichkeiten – seien es beispielsweise Ladenlokale als Ausstellungsräume – weniger leistbar sei. Als zentral sieht man indes die „Wieder-Aneignung“ von öffentlichen Räumen durch Kultur, wie etwa im Falle des Theaterplatzes. Auch die Frage nach „Kunst am Bau“ gehört in diese Ecke, wenngleich betont wird, dass über Mittel für „Kunst am Bau“ erst bei späteren Haushaltsverhandlungen entschieden werde.

Es gehe – in allen oben erwähnten denkbaren Fällen – um ressortübergreifende Zusammenarbeit, heißt es in der Verwaltungsvorlage. Die zudem betont, dass durch die Neustrukturierung des Kulturdezernats 2018, durch die der Oberbürgermeister selbst als Kulturdezernent fungiert, genau diesen Anforderungen Rechnung getragen worden sei. Doch dürfe Kunst keinesfalls für – etwa wirtschaftliche – Zwecke instrumentalisiert werden, dies wird deutlich gemacht.

„Kulturelle Bildung als Teil ganzheitlicher Bildung ist ein strategisches Handlungsfeld“ Kultur für alle – vor allem auch Kinder – erfahrbar, erlebbar und verstehbar zu machen, ist essentiell für ein lebenswertes Dasein und kann nur gemeinsam mit allen Lernorten gelingen. Kultur für alle als integraler Bestandteil von unserem gemeinsamen Leben in einer funktionierenden Stadtgesellschaft, heißt aber auch, die Bildungsangebote interkulturell zu öffnen. Hierbei sind Schulen, Kitas, Kulturinstitutionen, ob städtisch oder nicht, auch die Musikschule oder private Kulturakteure zu vernetzen. Dies geschehe schon, doch wolle man ein Konzept für die kulturelle Bildung aufstellen, das dem Sach- und Personalbedarf gerecht werde. In dem Papier wird zudem angekündigt, dass sich das Kulturbüro der Stadt erneut an dem Wettbewerb des Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW „Kommunale Gesamtkonzepte für kulturelle Bildung“ beteiligen möchte – bei einer früheren Beteiligung hatte man ein Preisgeld von 30 000 Euro erhalten.

Durch das von der Musikschule initiierte Programm „Räume der Kulturellen Bildung“ werde zudem angestrebt, in den Stadtteilen multifunktional nutzbare Räume für kulturelle Bildung zu schaffen.

„Das kulturelle Erbe ist Gedächtnis und Ressource der Stadtgesellschaft“ Denkmalschutz, das Erhalten von Identität durch gewachsene und die Geschichte der Stadt spiegelnde Lebensräume ist eine der zentralen Aufgaben von städtischer Entwicklungssteuerung. Das dürfte unumstritten sein und wird auch in der Vorlage herausgestellt. Man bereite auch eine seit langem geforderte stadtgeschichtliche Ausstellung konzeptionell vor – nennt jedoch keinen zeitlichen Rahmen.

Krefelder Stadtgeschichte und deren in Stein manifestierten Spuren indes sind eng verknüpft mit Industriekultur. Auf diesem Gebiet sei allerdings noch sehr viel zu tun, konstatiert die Verwaltungsvorlage. „Industriekultur in ihrer umfassenden Relevanz für Krefeld zu erschließen, stellt sich als gewaltige Aufgabe für die nächsten Jahre beziehungsweise Jahrzehnte“, heißt es wörtlich. Wenngleich es positive Ausnahmen gebe wie das vereinsgeführte Haus der Seidenkultur, das private Dujardin-Museum sowie das ehemalige Verseidag-Gebäude.

Noch 2019 soll zudem damit begonnen werden, die Kunstwerke im öffentlichen Raum zu erfassen, bezeichnen, zu pflegen und zu schützen. Auch die Digitalisierung von Archiven oder Museumsbeständen thematisiert das Papier, dazu gehört auch die Frage nach der Langzeitarchivierung, allerdings auch kritisch, denn das Primat gehöre immer noch der authentischen realen Erlebbarkeit von Exponaten.

„Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik“ Eine offene Gesellschaft bedeutet eine möglichst offene Kultur. Hierzu gehöre auch der kulturelle Dialog und das Einbinden von Menschen aus anderen kulturellen Erfahrungshintergründen. Damit dies sinnvoll gelingen könne, bedarf es entsprechender – auch finanzieller – Ressourcen und bei Bedarf Unterstützung von Land und Bund. Eine finanzielle Frage ist auch, wie Künstler der Stadt gefördert werden können. Die „prekäre soziale Situation vieler freiberuflich tätiger Künstler“ gäbe Anlass zur Besorgnis, doch Lösungen kann die Vorlage nicht anbieten. Hier könne indes das Fördern der „freien Szene“ Impulse setzen. Dies gelingt allerdings nur, wenn es wie auch bei städtischen Instituten verlässliche Strukturen und vor allem auch langfristige Finanzierungssicherheit gebe, die man zumindest implizit nichtstädtischen Akteuren in Aussicht stellt.

Dazu gehöre auch, ein „Wahrnehmungs- und Wertschätzungsproblem gegenüber den (eigenen) Krefelder Kulturangeboten zu überwinden“, fordert die Vorlage.

Und in der Tat, braucht sich „die Kultur“ in ihrer Vielfalt in Krefeld nicht zu verstecken. Ob dieser Eindruck mit Zahlen zu belegen ist, sollte eine Basisdaten-Erhebung in Form einer Umfrage bei den Kulturinstituten aufzeigen. Deren Auswertung soll, mit den Neubesetzungen am Kreschtheater wie im Kulturbüro durchgeführt werden.