Linus Roth: Ein Goldgräber mit Stradivari
Linus Roth ist per Zufall auf die Musik eines Komponisten gestoßen, der längst vergessen war.
Krefeld. Der Violinist Linus Roth ist kommende Woche für vier Konzerte in Krefeld und Mönchengladbach zu Gast. Er spielt mit den Niederreihnischen Sinfonikern das Violinkonzert von Benjamin Britten — auf einer Stradivari. Warum er sich selbst, als Goldgräber bezeichnet, erzählt er im Interview mit der Westdeutschen Zeitung.
Herr Roth, wie sind Sie an eine Stradivari gekommen?
Roth: Ich spiele seit 17 Jahren auf der „Dancla“ Stradivari von 1703. Sie gehört der Musikstiftung der L-Bank, Staatsbank von Baden-Württemberg, die sie mir ausgeliehen hat.
Was ist das Besondere an dieser Geige?
Roth: Es ist ein wahnsinniges Glück und eine Inspiration auf so einem Instrument spielen zu dürfen. Die Geige hat eine große Persönlichkeit und gibt einem alle musikalischen Möglichkeiten. Was das klangliche Geheimnis der Stradivari-Geigen ist, lässt sich nicht wirklich erklären, - sonst wäre es ja aber auch kein Geheimnis.
Was sagen Sie dazu, dass Frank Peter Zimmermann seine Geige nun zurückgeben musste?
Roth: Die Geigen sind als Antiquitäten leider auch Investitionsobjekte. Wir Musiker können uns das nicht mehr leisten und nun werden sie meist von einem Investor gekauft und enden in irgendeinem Tresor. Dass Zimmermanns Kaufgebot von mehreren Millionen einfach abgelehnt wurde, ist ein Skandal. Da platzt einem als Musiker der Kragen.
Was wäre, wenn Sie Ihre Stradivari abgeben müssten?
Roth: Das wird hoffentlich nicht passieren. Mein Spiel ist geprägt von dieser Geige, ich übe jeden Tag darauf. Jedes Instrument ist anders, deshalb ist es auch so wichtig, auf der Violine zu üben, auf der ich auch im Konzert spiele. So wie Zimmermann es schon gesagt hat, wenn die Geige weg ist, ist es, als würde einem der Arm abgerissen.
Sie treten nun schon zum dritten Mal in Krefeld auf, wie kommt das?
Roth: Ich kenne Mihkel Kütson nun schon seit 2006. Ich wurde vom Theater in Flensburg eingeladen, wo er dort noch Generalmusikdirektor war. Wir verstehen uns sehr gut und sich musikalisch auf einer Wellenlänge.
Was spielen Sie beim Sinfoniekonzert?
Roth: Ich spiele das Violinkonzert von Benjamin Britten, was auch auf der CD von Mihkel Kütson und mir ist. Es ist ein sehr scheres, aber tolles Werk. Es ist teilweise düster, weil es unter Einfluss des spanischen Bürgerkrieges geschrieben wurde.
Sie sind dafür bekannt, dass Sie Werke wiederentdeckt haben. Was darf der Leser sich darunter vorstellen?
Roth: Das liegt eigentlich an einem Namen: Mieczyslaw Weinberg. Von ihm ist das andere Violinkonzert auf der CD. Er war ein polnischer Jude, der vor den Nazis in die UDSSR fliehen musste. Auch dort hatte er unter dem Regime zu leiden, hatte ein schreckliches Leben. Seine Musik ist etwas ganz Besonderes, sie hat eine unglaubliche Tiefe. Ich gründe zurzeit auch die internationale Weinberg-Society, so dass seinem Werk noch mehr Beachtung geschenkt wird. In den 60er Jahren wurde er in der Sowjetunion hoch und runter gespielt, und dann plötzlich nicht mehr. Für mich ist es eine Herzensangelegenheit, dass Klassikliebhaber seine Musik kennenlernen. Ich bin bei einem Festival darauf gestoßen, wo nur jüdische Komponisten gespielt wurden und ich hatte den Namen davor noch nie gehört. Die Musik hat mich dann so gepackt, dass ich mich seit 2010 intensiv mit seinem Oeuvre beschäftigt habe. Ich fühle mich wie ein Goldgräber, der an der richtigen Stelle gegraben hat.