Kultur Literatur: Der Niederrheiner mag Amüsemang

Das neue Buch des Forschers Peter Honnen räumt mit einem Mythos übers Französische in unserer Region auf. Und Pierre Sommet weiß, warum wir seine Muttersprache lieben.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Schäselong, Mallör, Amüsemang, Pardong, pö a pö sind die Krieewelschen Versionen französischer Wörter, die auch am restlichen Niederrhein so oder so ähnlich bekannt sind. Und was sagen viele Niederrheiner, wenn sie gefragt werden, woher diese wohlklingenden Bezeichnungen kommen? Aus der Franzosenzeit, also der französischen Herrschaft unter Napoleon in den Jahren 1794 bis 1814. „Doch das ist ein Mythos“, räumt Sprachwissenschaftler Peter Honnen in seinem neuen Buch „Alles paletti?“ mit einer weit verbreiteten Geschichte auf.

Er hat geforscht und festgestellt, dass nur wenige entlehnte französische Wörter am Niederrhein tatsächlich aus dieser Besatzungszeit stammen. Das Gros der Begriffe kommt laut Honnen tatsächlich aus der Zeit zwischen 1600 und 1750, als es in adeligen Kreisen Mode war, wie am Hofe von Preußenkönig Friedrich II. Französisch zu sprechen oder zu schreiben. Und diese Mode erreichte irgendwann auch „das Mundart sprechende gemeine Volk“, so Hoppen.

Was der Autor bei allen Fragen nach der Herkunft aber vor allem bemerkte, war die Bereitschaft der Menschen, das Französische durch die Jahrhunderte sozusagen zu umarmen, während Einflüsse anderer Sprachen, vor allen anderen Englisch, verteufelt wurden und werden.

Für den in Krefeld lebenden Franzosen Pierre Sommet, der sich selbst auch der Sprachforschung verschrieben hat und Bücher über französische Sprachverwandtschaften geschrieben hat, ist es nicht erstaunlich, dass der Niederrheiner das Französische in seiner Sprache als etwas Schönes, Besonderes, als Teil seiner Geschichte empfindet und nicht wie im Fall des Englischen als feindlichen Einfluss auf seine Sprache.

Pierre Sommet, Franzose mit Heimat in Hüls

„Schönheit liegt bekanntlich im Auge und bezüglich der französischen Sprache manchmal im Ohr des Betrachters“, sagt Sommet, der lange Jahre Abteilungsleiter der Krefelder Volkshochschule war. „Für die Menschen in unserer Region, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts von den tüchtigen Hugenotten und später während der sogenannten Franzosenzeit von den zahlreichen Reformen durch Napoleon entscheidend geprägt wurden, liegen Frankreich und das französischsprachige Wallonien näher als England“, sagt Sommet.

„Eine deutsche Straße ,spricht’ täglich mit uns nicht nur Englisch, sondern auch Französisch“, sagt der Hülser. Den Nachweis lieferten, wie er aufzählt, Wörter wie Boutique, Café, Restaurant, Confiserie, Parfümerie. Außerdem klinge die französische Sprache elegant und melodiös, romantisch und zärtlich. Der weiche französische Akzent, der die Niederrheiner schmunzeln lasse, sei charmant und verführerisch — eben „die Sprache der Liebe“. Hinzu komme eine gewisse Affinität in der Mentalität und in der Lebensart. Der frankophile Rheinländer beziehungsweise Niederrheiner feiere, genieße und rede gern. Und das Nachbarland besitze auf vielen Gebieten eine gewisse Anziehungskraft, Flair und Prestige, sei es die Mode, die Gastronomie, die Kultur (Literatur, Malerei, Architektur), die Lichterstadt Paris, die vielfältigen (Kultur)-Landschaften wie die sonnenverwöhnte Provence, die raue Bretagne und der schöne Périgord.