Mainstream-Jazz mit Organic Earfood
Das Trio um den Kanadier Bernie Senensky gastiert in der Jüdischen Gemeinde vor 60 Konzertbesuchern.
Das Orgeltrio mit einer Hammond-Orgel als zentralem Instrument, einem Gitarristen und einem Schlagzeuger ist im Jazz zwar eine seltene Formation, doch sie gehört gleichwohl zu den Standardbesetzungen. Ins Jüdische Gemeindezentrum kam jetzt mit der Gruppe Organic Earfood zwar ein Orgeltrio, doch anstelle eines Gitarristen brachte die Band um den kanadischen Orgelspieler Bernie Senensky einen Vibraphonisten mit. Das Konzert war eine Kooperation der Jüdischen Gemeinde mit dem Jazzklub Krefeld.
Senensky war auch als Pianist angekündigt, beschränkte sich aber auf die Orgel, obwohl auf der Bühne ein Flügel bereit stand. Der Mann aus Winnipeg, wo ihn wohl auch der ursprünglich aus Recklinghausen stammende Vibraphonist Stefan Bauer kennenlernte, hat in Toronto viele durchreisende Jazzgrößen begleitet und sich so seinen Ruf erspielt. Zu den Stars des Jazz muss man ihn selbst aber nicht unbedingt zählen. Dritter im Bunde war der Düsseldorfer Peter Baumgärtner am Schlagzeug.
Das Hammond-Modell, das Senensky bediente, verfügt zwar über zwei Manuale, aber nicht über Basspedale. Auch stand ihm nicht das von Hammond-Spielern gern benutzte Lesley-Lautsprechersystem zur Verfügung, mit dem der beliebte Schwebesound erreicht wird. Mit dem Klang dieses leichtgewichtigen Tournee-Instruments stand Senensky nicht das Potential zur Verfügung, das mit dem Hammond-Standardmodell B3 abrufbar ist. Fürs Zusammenspiel fehlten vor allem die Pedalbässe, die bei Orgeltrios normalerweise einen Bassisten überflüssig machen.
Walking-Bass-Linien spielte Senensky dann zwar mit der linken Hand, aber die stand dann wiederum nicht für Akkorde zur Verfügung. In den Stücken ohne Walking-Bass-Linien fehlte so oft genug Drummer Baumgärtner die Grundierung und/oder ein Anknüpfungspunkt für das eigene Spiel, so dass die Rhythmik insgesamt etwas in der Luft hing, zumal Baumgärtner überwiegend leicht federnd um Dezenz bemüht schien. Das kann eine Stärke sein — bei dieser Konstellation aber war es eine Schwäche.
In seinen Sololinien mit der Rechten bewies Senensky immerhin solide Eloquenz, Stefan Bauer am Vibraphon hatte aber sicherlich die interessanteren, da lebhafteren Soli zu bieten. Beiden Spielern muss man aber bescheinigen, dass sie das Material ein wenig zu konventionell handhabten, sich etwas zu sklavisch an den Harmonien abarbeiteten.
Gespielt wurden Standards aus dem sogenannten Great American Songbook oder auch standardähnliche Eigenkompositionen. So erklang etwa der Hammerstein-Rodgers-Klassiker „My Favorite Things“, den auch John Coltrane gerne und oft gespielt hat. Immerhin hatte das Trio den Walzer zu einem 5/4-Takt umarrangiert.
Unter den meist gängigen Songstrukturen war auch Senenskys „One Never Knows“ mit einem beständigen Wechsel zwischen 3/4- und 4/4-Takt und verdoppelter und normaler Zeit ein Aufwecker. Und dann gab es auch Stücke, in denen die Dezenz Baumgärtners weniger negativ ins Gewicht fiel, weil rhythmische Riffs in der Melodik schon genügend Eigendynamik entwickelten, etwa bei einer blues-basierten Swing-Nummer von Hammond-Ikone Larry Young. Am Ende bescherte Organic Earfood den knapp 60 Konzertbesuchern ein solides Mainstream-Erlebnis. Dem hörerfahrenen Publikum des Jazzkellers wäre diese Ohrkost zwar bestimmt ein wenig zu spannungsarm gewesen, im Kontext der Kulturreihe der Jüdischen Gemeinde aber konnte man mit der Qualität zufrieden sein.