Mies-Modell wird im Herbst abgerissen — und was nun?
Ende Oktober wird das Modell auf dem Egelsberg abgerissen. Wie kann Krefeld den Boom dauerhaft nutzen?
Krefeld. Auf dem Egelsberg wird es langsam Herbst, und damit geht auch die Zeit des Mies-Modells zu Ende. Einen Sommer lang war Krefeld Anziehungspunkt für tausende Architekturfreunde aus dem In- und Ausland. Fachpresse und überregionale Zeitungen berichteten ausführlich. Die Frage, die sich anschließt, liegt auf der Hand: Was nun?
Der Baukörper selbst wird jedenfalls ab 27. Oktober Schritt für Schritt abgebaut. Teile des Materials finden im Projekt „Recycling Mies“ eine neue Verwendung. Ansonsten wird aus dem Standort wieder das, was er vorher war: ein normaler Acker.
Wenn es nach Mitinitiatorin Christiane Lange geht, wird der Bau dennoch weiter Impulse setzen. „Das Thema Baukultur hat in Krefeld bislang nicht so gut funktioniert“, sagt Lange. Sie hofft, dass sich über das Modell ein neues Bewusstsein entwickelt: „Ob das gelingt, hängt davon ab, ob bei den Bürgern der Wunsch entsteht, ihre Stadt neu zu entdecken und zu erleben.“
Das Mies-Modell, oder besser: seine Überreste, könnten helfen, diese Debatte anzustoßen. Das Material soll für zwei Pavillons wiederverwendet werden, die in Aachen und Krefeld dauerhafte Standorte finden. „Unser Ziel in Krefeld ist die Innenstadt, am liebsten die Wälle“, sagt Lange. Architekturstudenten aus Aachen und Designstudenten aus Krefeld arbeiten an Konzepten.
Das Stadtmarketing unterstützt diese Idee. Bereits seit 2011 versuchen Leiter Ulrich Cloos und seine Mitarbeiter, das Thema Baukultur auf der Agenda zu verankern — über Symposien, Vorlesungen an der Hochschule und Führungen. Dass solche Ansätze eher ein Fachpublikum ansprechen, gibt Cloos offen zu: „Wir setzen bewusst weit oben an und schielen nicht nur auf die Masse.“
In der breiten Vermarktung gibt es tatsächlich Verbesserungspotenzial, wie ein Blick auf die Homepage der Stadt beweist: Wer sich dort über das Mies-Modell informieren will, braucht detektivischen Spürsinn. Auf der Startseite steht — nichts. Unter Tourismus und Freizeit — auch nichts. Wer sich kürzlich über die Rubrik „Veranstaltungen“ zu „Highlights“ vorarbeitete, fand zwar das Flugplatzfest auf dem Egelsberg, nicht aber die architektonische Sensation wenige hundert Meter weiter. „Das hat mit der statischen Struktur der Seite zu tun“, erklärt Cloos. „Wir arbeiten an einem Relaunch.“
Auch bei den Aktionen rund um das Mies-Modell bleibt die Stadt eher passiv. Die Kulturreihe „Mies & Muse“ im Golfclubhaus wird hauptsächlich von der freien Szene gestaltet. Als städtischer Beitrag sind die Architekturtage „Mehr Mies!“ erkennbar, die seit Jahren zum Programm der Kunstmuseen gehören.
Insofern überrascht es nicht, dass Museumschef Martin Hentschel genau an diesem Punkt ansetzt, wenn man ihn fragt, wie Krefeld den Schwung aus dem Mies-Modell dauerhaft mitnehmen kann: „Die Stadt wird von der Euphorie profitieren, wenn sie mehr für unsere Häuser tut.“
Damit spielt Hentschel auch auf das Thema Werbung an. Derzeit bestreitet er aus seinem „Mini-Etat“ die komplette Vermarktung der Ausstellungen in Haus Esters und Haus Lange selbst. „Die Stadt müsste diese Perlen mehr bewerben“, so Hentschel. Immerhin: Die Initiative, die Villen zum Weltkulturerbe erklären zu lassen, sei „sehr positiv“.
Was den Häusern darüber hinaus fehle, sei eine Gastronomie: „Es ist ein Manko, dass die Leute nicht verweilen können.“ Laut Hentschel gebe es am Gartenhaus den idealen Platz für einen Pavillon, den man als Café nutzen könnte. „Man müsste natürlich einen geeigneten Architekten finden, etwa David Chipperfield. Der ist nahe an den Ideen von Ludwig Mies van der Rohe.“
Den Zeitpunkt für einen solchen Vorstoß findet Hentschel ideal. „Das Mies-Modell hat weit über Krefeld hinaus Wellen geschlagen. Ich gebe zu, dass ich skeptisch war, aber der räumliche Eindruck des Baus ist ausgesprochen großartig.“ Nun gelte es, diesen Erfolg dauerhaft für Krefeld zu nutzen.
Doch Vermarktung hat auch Grenzen, wie selbst Stadtmarketing-Chef Cloos erkennt: „Wir können kulturhistorisch bedeutsame Themen nicht profan ins Marketing ziehen.“
Auch Lange findet: „Mit Kunst ist das schwierig, weil man ihr dabei leicht die Tiefe nehmen kann.“ In Fachkreisen werde Krefeld ohnehin als Mies-Stadt wahrgenommen, sagt Lange. Ihn weiter zu kommerzialisieren, sei ein „bisschen platt“: „Haus Lange im Schneegestöber einer Glaskugel — das muss nicht sein.“