Theater aus Palästina: Die Nöte eines heimatlosen Volkes
„Ein Gedächtnis für das Vergessen“ beruht auf einem Gedicht, das leider nicht für die Bühne taugt.
Krefeld. Er war ein Bauernsohn und ein Flüchtling. Als Palästinenser war er ein illegaler Einwanderer in seiner Heimat und wurde von denen, die er als Besatzer bezeichnen muss, mehrfach inhaftiert. Er war ein Exilant und wurde Mitglied in Yassir Arafats PLO, aus der er später wieder austrat. Vor allem aber war Machmud Darwisch (1941—2008) die „Stimme seines Volkes“. Die Gedichte des Palästinensers wurden in 30 Sprachen übersetzt.
Mit einem Theaterabend, der auf Darwischs Prosagedicht „Ein Gedächtnis für das Vergessen“ basiert, setzt das Stadttheater seine Reihe mit außereuropäischem Theater in der Fabrik Heeder fort. Omar Abi Azar und Maya Zbib, zwei junge libanesische Theaterkünstler, haben den Text dramatisiert, Zbib hat auch die Regie übernommen.
Das Bühnenbild (Lydia Merkel) zeigt eine Dachlandschaft, aus der drei Obergeschosse wie Podeste herausragen. Antennen stehen herum, ein Gewirr aus Kabeln spannt sich über die Bühne. Aus Derwischs Text haben Zbib und Azar drei Figuren destilliert. Der Dichter (Daniel Minetti) soll die poetische, der Zeuge (Bruno Winzen) die politische Seite Darwischs verkörpern. Die Frau (Eva Spott) soll für die Frauen in Darwischs Leben stehen.
Der Text mischt verschiedene Ebenen, und das entpuppt sich als das große Problem dieses Abends. Bühnentauglicher Dialog steht neben Erzählung, Analyse oder Kommentar. Darüber hinaus treten die Schauspieler aus ihren Rollen heraus, kommentieren knapp ihr Handeln. Das alles verlangt nach einem häufigen Wechsel des Tons, des Tempos, der Stimmung.
Vor allem Minetti weicht aber kaum von einem dauerdramatischen Ton ab, der alles unterschiedslos mit Bedeutung auflädt. Winzen ist leider nur um wenige Nuancen differenzierter. Eva Spott, eine gestandene Frau, wird mit Dauerwellen-Langhaarperücke und spitzendurchbrochenem schwarzen Unterkleid äußerlich zur Männerfantasie degradiert. Dagegen lässt sich schwer anspielen. Ein kryptisches Video und eine variationsarme Lichtgestaltung helfen auch kaum weiter.
Trotzdem bleiben einige Textpassagen hängen, kommen einem die existenziellen Nöte der Palästinenser als heimatloses Volk näher. Da ist die Erzählung von Kamâl, der von seiner Rückkehr nach Haifa träumt und dann von israelischen Soldaten abgefangen und getötet wird. Da ist die Eloge des Dichters auf den Kaffee als ein Stück Alltagskultur, das er sich nicht nehmen lassen will. Und da ist das wiederkehrende Motiv der scheiternden Liebe, die nicht beständiger sein kann als die unbeständigen Verhältnisse.