Tanz Gespenstische Tanz-Momente

Krefeld · Die Compagnie von Nicole Seiler sorgte in der Fabrik Heeder mit „Shiver“ für Gänsehaut.

Mit „Shiver“ begeisterte die Compagnie Nicole Seiler das Publikum in der Fabrik Heeder. Foto: Seiler

Foto: Seiler, Nicole

Düster und faszinierend zugleich war der Auftakt der 17. Krefelder Tage für modernen Tanz in der Fabrik Heeder. Mit ihrem Stück „Shiver“ sorgte die Compagnie von Nicole Seiler für einen gänsehautähnlichen „Schauder“. Die besondere Magie von Tanz betonte auch Jürgen Sauerland-Freer bei seiner Begrüßung. Der Leiter des Krefelder Kulturbüros eröffnete seine letzte Präsentation von „move!“, da er Ende des Jahres in den Ruhestand geht.

Aus diesem Anlass skizzierte er, was ihn persönlich am modernen Tanz, dessen Präsentation ein Schwerpunkt seiner Arbeit bildete, so fasziniert: „Tanz ist die Kunstform, die mit dem Menschen am engsten verbunden ist.“ Tanz gibt es weltweit und obwohl er eine flüchtige Kunstform ist, schafft er tiefe Bilder.

Seit 25 Jahren gibt es „move!“
auf der Krefelder Bühne

„Der Tanz ist hier präsenter den je“, sagt er mit Blick auf die fast 25-jährige Tradition von move! in Krefeld. Gerade in Zeiten von Begrenzungen verschiedener Art lasse der Tanz Utopien aufschimmern.  „Sein kosmopolitischer Charakter beeindruckt mich sehr“, sagt Sauerland-Freer, der zum Schluss dem Publikum dankt, ohne dessen Interesse diese Kunstform nicht möglich sei. Magie war auch ein Stichwort für das Stück „Shiver“ der Schweizer Choreografin Nicole Seiler. Die Bühne bleibt lange in völliger Dunkelheit, nur ein Vorhang ist schemenhaft zu erkennen. Dieses theatralische Element ist für das das ganze Stück kennzeichnend. Zunächst ertönt eine männliche Stimme. Sie klingt angenehm aber auch etwas unheimlich Mit knappen Sätzen beschwört sie eine Atmosphäre der Beobachtung und Verfolgung herauf. Plötzlich flackern gespenstische Lichter auf. Eine dunkle Masse, die, wie später erkennbar wird, aus vier verschiedenen Tänzern besteht, beginnt sich langsam über die Bühne zu bewegen. Das auf die Körper projizierte, fluoreszierende Licht deutet Konturen an, die aber ständig verschwimmen und flackern und zu immer neuen irritierenden Bildern führen. In unglaublich präziser Choreografie bewegen sich die vier Personen  und regen die Fantasie des Zuschauers immer wieder aufs Neue an.

Die amorphe Masse wirkt gespenstisch und bedrohlich

Mal tierartig, mal gespenstisch wirkt diese amorphe Masse. Erst gegen Ende dieser starken Szene erkennt man die Umrisse einzelner Personen, die aber nach und nach wieder hinter dem Vorhang verschwinden. Die flackernden und grell leuchtenden Projektionen ziehen sich wie ein roter Faden durch das Stück, das auch Motive aus Schauergeschichten des 19. Jahrhunderts zitiert. So tragen die Tänzer, zwei Frauen und zwei Männer, historische Kostüme. Doch mit ausgestopften Buckel und anderen Ausbeulungen bekommen sie einen bizarren Charakter. In einer der eindrucksvollsten Szenen des Abends stimmt eine der Tänzerinnen einen Gesang an, der sich in fast unerträgliche Höhen steigert und eine immer surrealer erscheinende Atmosphäre schafft. Eine andere Sequenz zeigt zwei auf dem Boden rot flackernde Stellen, die sich allmählich zu einem bedrohlich glühenden Teppich ausbreiten, bis man die Umrisse zweier menschlicher Figuren darunter entdecken kann. Auch die letzte Szene baut sich ganz langsam auf, um sich dann zu einem furiosen Höhepunkt zu steigern. Einzelne Hände und Arme bewegen sich unter dem Vorhang hervor, Wieder flackert das Licht, so dass man nur Fragmente und erst im Verlauf einer atemberaubenden Choreografie die Körper als solche erkennen kann. Die raffinierte Beleuchtung lässt erahnen, dass die Körper nackt und nur teilweise bemalt sind. Die Musik (Stéphane Vecchione), die mit vielfältigen  Geräuschen für die unterschiedlichsten Stimmungen gesorgt hat, steigert sich zu einem Sound, der den Boden vibrieren lässt. So endet ein schaurig-schöner Tanzabend. Das Publikum ist begeistert.