Theater am Marienplatz Musik zum Sterben

Krefeld · Pit Therre spielte Gerhard Rühms Todes-Musiken im TAM.

Pit Therre spielte Rühm im Theater am Marienplatz.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Der Begriff Sarg lässt sich auf das Wort Sarkophag zurückführen, jenes Wort indes entstammt dem griechischen begriff Sarkophágos – „fleischfressend“. Dort in der letzten Ruhestätte löst sich das Fleisch auf, es bleibt der Knochen. Das kann man auch symbolisch deuten, wenn man möchte, der Knochen, das Gerüst, das, was die innere Form gibt, bleibt, ein Ort des Wahrhaftigen, vielleicht der Seele; das Fleischliche, das Umgebende, das Verwesende löst sich auf. Das sind schwere Worte, in der Tat und es ließe sich Stunden, Tage, Monate über metaphysische und symbolische Bezüge zu Tod und Vergehen philosophieren. Manchmal braucht es nur Musik. So bei dem Spielzeit-Auftakt-Programm im Theater am Marienplatz, wo Pit Therre Musik am Klavier spielte, die genau das ist, losgelöst vom Fleisch, nur noch musikalischer Knochen.

Der heute 90-jährige österreichische Künstler und Komponist Gerhard Rühm hat Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre Stücke geschrieben, die er „Sterbemusik“ nannte. Musik für einen Freund, dessen Leben sich dem Ende neigte. Aber auch Musik, die Auflösung und Reduktion auf das, was am Ende übrig bleibt, Knochen, Seele, dann Staub und Übergang in das Ganze des Universums, wenn man an so etwas glaubt, in ästhetische Töne fasste. Ganztönig, nahezu leer entsteht ein Gerüst an Klängen, das sich wie eine Seele zwischen die halligen Klänge legt, die Rühm mit komplexen Überlegungen in Noten setzte. Da ist kaum Bewegung, kaum ein Moment des Aufbäumens, nur Auflösung, vielleicht Transformation – was doch schlussendlich in einem Sarg, vielleicht auch nur symbolisch passiert.

Therre spielte vor dem wenigen Publikum, das den Weg in das TAM fand, hochkonzentriert und sehr unprätentiös „Meditation über einen alten Spruch“, „Meditation über die letzten Dinge“, „Zum Tode“ und „… dies Paradies …“ von Rühm. Mit einer dem musikalischen Stoff und dem hermeneutischen Unterbau würdigen Herangehensweise. Kein Hauch Pathos – nirgends, kein Zweifel an der Ernsthaftigkeit.

Das Publikum saß auf Abstand und ließ sich gut 30 Minuten entführen in eine fremd-vertraute Klangwelt. Musik wie ein Röntgenbild, oder ein Skelett. Und doch tröstlich und warm, weil der Klang sich den Weg in die Tiefen der Seele sucht, entführt – hoffentlich nicht nur zum Sterben, sondern auch zu einem Leben, das noch lange anhalte. Laki

Weitere Aufführungen am 18. und 25. September, 22 Uhr, Theater am Marienplatz (Marienstraße 81).