Regisseur Kuro Tanino: „Theater gehört in Japan nicht zum Alltag“
Regisseur Kuro Tanino findet, sein Heimatland könnte von den Bühnen in Deutschland lernen. Sein Stück feiert am 26. März Premiere.
Krefeld. Ein japanischer Regisseur schreibt ein Stück für das Stadttheater Krefeld — das Besondere: Er ist eigentlich Psychiater. „Käfig aus Wasser“ von Kuro Tanino feiert am 26. März in der Fabrik Heeder Premiere. Inwiefern seine medizinischen Kenntnisse seine Arbeit beeinflussen, erzählt Tanino im Interview mit der Westdeutschen Zeitung.
Herr Tanino, wie ist es für Sie am Theater Krefeld ein Stück zu inszenieren?
Kuro Tanino: Ich bin sehr aufgeregt. Die Proben sind wunderbar verlaufen. Mit dieser besten Atmosphäre für künstlerische Arbeit hoffe ich, dem Krefelder Publikum gefällt unsere Produktion.
Können Sie kurz erklären, um was es in dem Stück „Käfig aus Wasser“ geht?
Tanino: Das Stück handelt von einem Deutschen, der überzeugt ist, er wäre ein alter Japaner, der in Fukushima lebt. Auf einer facebook-ähnlichen Seite gibt er vor, ein japanischer Professor der deutschen Literatur zu sein. Über die Seite streut er seine Wahnvorstellungen und Fantasien über Japan in die Welt, vor allem über die Situation nach dem Erdbeben, dem Tsunami und der Nuklearkatastrophe in Fukushima im März 2011. Weil seine Geschichten teilweise wahr sind und auf Fakten beruhen, fällt es den Menschen schwer, seine wahre Identität festzustellen. Nach einem Fernsehbericht ändert sich die Situation.
Wie beeinflusst Ihre Arbeit als Psychiater Ihre Arbeit als Regisseur?
Tanino: Ich habe Theater nicht studiert. Wenn ich Regie führe, kommen meine Ideen oft aus dem medizinischen Wissen und der Erfahrung. Ärzte und Regisseure haben eine Menge gemeinsam, nicht nur Psychiater wie ich, sondern Ärzte im Allgemeinen, schauen auf Menschen aus allen möglichen Blickwinkeln.
Wie sind Sie zum Theater gekommen?
Tanino: Als ich Erstsemester der Medizin war, haben meine Freunde und ich eine Aufführung für eine Weihnachtsfeier präsentiert. Rückblickend betrachtet, war es nicht wirklich ein Theaterstück, aber es hat uns wohl animiert, eine Theatergruppe zu gründen. Nachdem ich das Medizinstudium beendet habe, habe ich neben der Arbeit als Psychiater weiter Stücke geschrieben und produziert sowie Regie geführt.
Was ist das Interessante am Theaterland Japan?
Tanino: In Japan haben wir sehr unterschiedliche Theatertypen, von sehr traditionell bis zu modernen Inszenierungen mit neuster Technik. Dieses Bestehen nebeneinander und auch Konkurrieren ist ein Alleinstellungsmerkmal des heutigen japanischen Theaters. Vor allem in Tokio ist es schon fast ermüdend, wie viele Aufführungen es an einem Tag gibt, die aber auch alle unterschiedlich sind.
Wie unterscheidet sich japanisches Theater von deutschem?
Tanino: Für mich scheint es so, dass Theater zum alltäglichen Leben in Deutschland dazugehört. Theater gehört in Japan nicht zum Alltag. Leider. Einige junge Leute lieben das Theater, aber Menschen über 40 Jahre, vor allem Büroangestellte, die ihre Familie versorgen müssen, gehen selten ins Theater. Die Karten sind teuer und die Aufführungen starten in der Regel um 19 Uhr, wenn viele Leute noch arbeiten. Überstunden sind gängige Praxis bei uns. Die meisten Produktionen werden nur eine Woche lang gezeigt. Ich glaube, wenn wir mehr öffentliche Theater hätten und das Repertoire-System wie hier umsetzen würde, würde sich die Situation verändern, aber wir sind noch auf dem Weg.
Welche Rolle spielen Emotionen im japanischen Theater?
Tanino: Streng genommen, ist es unmöglich, nicht nur die Emotionen anderer Leute, sondern auch die eigenen zu kennen. Sie sind zu komplex und verändern sich zu schnell — mit anderen Worten: Sie sind nicht greifbar. Anders als im Westen fordert japanisches Theater nicht vom Publikum, dass es klar versteht, wie sich die Charaktere fühlen, weil wir wissen, das können wir nicht endgültig zeigen. Deshalb denken wir, dass visuelle Effekte, Musik und die Atmosphäre wichtiger sind als die Sprache.
Wie wird das Bühnenbild aussehen? Wird es einen Käfig aus Wasser geben?
Tanino: Bisher habe ich immer selbst das Bühnenbild und die Kostüme meiner Produktionen designt. Dieses Mal arbeite ich mit dem Künstler Caspar Pichner zusammen. Er hat uns verschiedene Ideen gegeben, die weit bizarrer waren, als das, was ich mir vorgestellt hatte. Das Bühnenbild ist eine weiße Wohnung, in der der Mann lebt. Es ist wie ein Raumschiff in einem Science-Fiction-Film oder ein sauberes, desinfiziertes Krankenhauszimmer.