Konzert Kammermusikalische Erfüllung
Krefeld · Zum Auftakt der Serenaden in Linn spielte das Prager Bennewitz Quartett Beethoven.
Eine vor Sehnsucht berstende Melodie streift zügig von der ersten Geige zur 2. Violine, diese nimmt sie auf, doch führt sie in eine neue Sphäre. Das Cello antwortet mit noch mehr Leiden in der Leidenschaft, die Viola sekundiert zunächst, um schließlich einen so gut sitzenden Akzent zu setzen, dass die restlichen Instrumente vor Ehrfurcht erschaudern und fast kurz eine atemlose Stille herrscht. Doch bald erklingen gelöstere Töne, euphorisch indes positiv, als wäre die Sehnsucht erfüllt worden; aber Vorsicht, bald pocht das Herz wieder schneller und verrät, dass sich etwas Unerwartetes hinter dem kommenden Takt verbirgt.
Nun, liebe Leser, wie Sie an dem vergangenen Absatz gewiss gemerkt haben, ist es immer nur eine Annäherung an das musikalische Geschehen, was Sprache leisten kann. Und wissenschaftliche Analysen der hinter der Musik steckenden Kunstfertigkeit – wobei dann viel über Harmonien, Kontrapunkt, Motivik und Form zu sprechen wäre –, mögen zwar ihre Freunde haben, doch gehören sie eher in andere Gefilde.
Deshalb sprechen oft Bilder: Wie etwa ein Vögelchen, das von Instrument zu Instrument springt, was dann für ein luftiges neckisches Motiv stehen kann. Oder eine große Welle, die indes nur musikalisch ist, die sich über eine durstige Landschaft ergießt. All das steckte in diesem Abend, über den wir hier berichten.
Der Auftakt der Serenaden-Konzerte auf Burg Linn war ein Augenblick kammermusikalischer Erfüllung, alleine schon programmatisch. Zwei Beethoven Streichquartette, eines der ersten in A-Dur Op. 18. Nr. 5, entstanden 1799, lebensbejahend kraftvoll und mozartisch im tieferen Sinne, das andere ein mittleres, aus 1806 in e-Moll (Op. 59, Nr.2) spricht eine eben oben beschriebene vor Sehnsucht und Vielschichtigkeit aufgeladene Sprache. Ein perfekter Tribut an das Beethoven-Jahr 2020, das doch durch Corona so ganz und gar anders geworden ist, als von Beethoven-Freunden weltweit erträumt.
Und dann die Interpreten, das mit Musikkultur und Spielkraft, mit feiner intellektueller Differenziertheit und dennoch Klanglust agierende Bennewitz-Quartett aus Prag. Das sind Jakub Fišer und Štěpán Ježek an den Violinen, Jiří Pinkas, Viola und der Cellist Štěpán Doležal. Die zwar eine Tönung in ihrem Klang haben, der ihre Heimat nicht leugnet – Schulen prägen dann doch, und nicht ohne Grund nennen sich die vier nach dem Begründer der tschechischen Violinenschule Antonín Bennewitz. Die dennoch derart fein sich auf die komplexe Mischung in Beethovens musikalischer Organik einlassen, dass man sich noch mehr an Wien erinnert fühlt als an Prag – und das ist hier durchaus Sinn der Übung.
Der Rittersaal auf der Burg Linn, der zwar auf Abstand, aber mehrheitlich ohne Maske mit den Regeln entsprechend wenig Publikum befüllt war, ließ die Anwesenden für eine gewisse Zeit alles andere als die anspruchsvolle Klangkunst vergessen. Dafür dankte man mit tüchtig Applaus, was wiederum das Bennewitz-Quartett mit Erwin Schulhoffs „Alla Tango milonga (andante)“ aus „5 Stücke für Streichquartett“ als Zugabe gutierte.
Nächstes Konzert der Reihe „Serenade“: Alte Musik mit dem TARS-Ensemble am 6. November.