Sie brauchen viel Fingerspitzengefühl
Die Textilrestauratorinnen Claudia Vollmuth und Monika Nürnberg kümmern sich um historische Gewänder im Textilmuseum.
Das Ideal ihrer Arbeit ist es, dass man möglichst nicht sieht, dass sie gemacht wurde. Denn derart feine Restaurierungsarbeiten erkennt der Laie nicht auf den ersten Blick, wenn er vor einer Museumsvitrine steht. Ein Grund für die höchst unauffälligen Reparaturen ist beispielsweise das verwendete Werkzeug. Mit Nadeln, die sonst in der Augenchirurgie verwendet werden, arbeitet auch Textilrestauratorin Monika Nürnberg. „Zuerst habe ich den Riss in diesem Trachtenoberteil, das aus der Zeit um 1900 stammt, mit einem Gewebe unterlegt. Das muss aus einem ähnlichen Material sein wie der Oberstoff, damit es sich gleich verhält“, erklärt sie. „Dann habe ich mit chirurgischen Nadeln genäht. Die sind nicht nur sehr fein, sondern auch noch gebogen. Damit kann das Objekt beim Bearbeiten flach liegen.“
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Seltene Berufe
Mit einem hauchdünnen Seidenfaden und Spannstichen wurde der Riss auf dem Untergrund fixiert. In der Restaurierungswerkstatt des Deutschen Textilmuseums arbeiten die Expertinnen gerade an Kleidungstücken für die Ausstellung „Tracht oder Mode?“, die am 4. November eröffnet wird. Nürnberg ist damit so richtig in ihrem Element: „Ich arbeite gerne mit Mode, beschäftige mich auch gerne mit dem Ausstellungsaufbau, wie zum Beispiel der Vorbereitung der Figurinen.“ Rund ein Dutzend der schwarzen Ständer verstopft fast schon den hinteren Gang in der Werkstatt, wo sie aufgereiht stehen.
Claudia Vollmuth hat da andere Lieblingstätigkeiten: „Ich arbeite gerne mit modernen Textilien und auch Objekten, die jetzt geschaffen werden, zum Beispiel von Künstlern wie Joseph Beuys oder Claes Oldenburg.“ Aber auch das Material Textil allgemein interessiert sie sehr. „Es ist eine Seite, die mich unheimlich reizt — die Arbeit im Labor. Die Materialien zu finden, die man für eine Restaurierung braucht.“
Solche Tätigkeiten gehörten nicht von Anfang an zur Ausbildung in der Textilrestaurierung. Erst seit es den Studiengang Konservierungs- und Restaurierungswissenschaften an der Technischen Hochschule Köln gibt, sind die Laborarbeiten Bestandteil der Ausbildung. Vollmuth freut sich, dass sie als eine der ersten Studentinnen auch dies lernen konnte.
Bis dahin führte der Weg in den Beruf über eine Ausbildung zur Weberin, Schneiderin oder Stickerin. Mit dem Gesellenbrief bewarb sich frau entweder in einem Museum oder in einer freiberuflich geführten Restaurierungswerkstatt, um sich mit drei Jahren praktischer Arbeit weiterzuqualifizieren und ein entsprechendes Diplom zu erhalten. „Man darf in diesem Beruf nicht ortsgebunden sein“, erklären Vollmuth und Nürnberg unisono. Quer durch die Bundesrepublik führten sie die Stationen ihrer Ausbildung, so bei Vollmuth von Hamburg über Münster, München und Köln bis schließlich nach Krefeld.
Die beiden Mitarbeiterinnen der Museumswerkstatt bedauern es sehr, dass die Berufsbezeichnung Textilrestauratorin nicht geschützt ist; jeder kann sich ein solches Schild an seine Türe nageln. Dass in diesem Berufszweig zu 80 Prozent Frauen arbeiten, können sie auch erklären: „Das liegt an der schlechten Bezahlung.“ Zum anderen gehöre die Restaurierung in den Bereich der Fürsorge, Pflege, Archivierung — und davon fühlen sich Frauen stärker angesprochen. Wenn es der Textilrestauratorin gelingt, sich auch freiberuflich zu etablieren, kann sie durchaus „familienkompatibel“ arbeiten. Für sie sind dann private Aufträge wesentlich, wie zum Beispiel diejenigen von Schützenvereinen, die ihre alten Vereinsfahnen instand halten möchten.