Premiere Stadttheater: Dieses Musical ist „wundascheen“
„My Fair Lady“ hatte auf der Bühne des Stadttheaters Premiere und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen.
Krefeld. Hinter einem gebauschten Varietévorhang verbirgt sich eine Spieluhr: Die Bühne des Stadttheaters öffnete sich für die Premiere von „My Fair Lady“. Das Musical basiert auf einem uralten Stoff der Weltliteratur: Mann formt Frau nach seiner Vorstellung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts transponierte der britische Schriftsteller George Bernard Shaw dieses Motiv in das London des britischen Empire.
Daraus entstand ein halbes Jahrhundert später ein Musical in der großartigen Vertonung von Frederick Loewe. Ein Stoff, der natürlich auch verfilmt wurde und mit Audrey Hepburn und Rex Harrison Maßstäbe im Zuschauergedächtnis verankert hat.
Zum Inhalt: Der Sprachwissenschaftler Professor Higgins (Markus Heinrich) wettet mit Oberst Pickering (Thomas Peter), er könne aus der Gossenpflanze Eliza Doolittle mit ihrem schrecklichem Akzent eine Dame von Welt machen. Mit höchster Anstrengung gelingt das: Am Ende des ersten Aktes kommt statt „Es grient so grien“ glücklich ein gesellschaftsfähiges „Es grünt so grün“ aus dem Munde von Eliza Doolittle (Susanne Seefing).
Der exzentrische, ichzentrierte, hölzerne Higgins und der liebenswürdige Oberst Pickering sind begeistert, aber sie lassen das Objekt ihres Experiments außen vor. Higgins übersieht Eliza völlig: Sie schmeißt ihm wütend seine Pantoffeln hinterher und verlässt das herrschaftliche Haus. So geschieht, was geschehen muss. Die beiden haben sich unbemerkt einander auch gefühlsmäßig angenähert und liegen sich am Ende im Arm.
Diese Geschlechterrollen sind ziemlich überholt, daher hat Regisseur Roland Hüve die Drehbühne als rückgewandten Blickwinkel geschickt eingesetzt. Eine Trennwand halbiert das Rund, und im Drehen präsentiert die Spieluhr den neuen Szenenaufbau, etwa mit adrett angezogener Unterschicht und famos zeitgerecht gekleideter Oberschicht.
Hier erlauben sich Bühnen- und Kostümgestalter (Okarina Peter und Timo Dentler) einige Köstlichkeiten, wie etwa die Hüte der feinen Ascot-Gesellschaft. Die Champagnerflaschen oder Rennpferde auf den Kopfbedeckungen sind eine Mischung aus Knallbonboninhalten und Ideen von Philipp Tracey. Das Spleenige der englischen Gesellschaft ist optisch wunderbar umgesetzt.
Den beiden Hauptfiguren fehlt es in ihrer Führung allerdings an den Qualitäten, die das Stück vielschichtig machen: Higgins ist nur streng und langweilig, man hat ihm hier keinen Esprit zugestanden. Seine Gefühle tauchen aus dem Nichts auf.
Eliza fehlt dieser Anteil an jugendlicher Naivität, der sie zusammen mit ihrer Unterschichterfahrung zu einem Wandel befähigt.
Oberst Pickering und Higgins Mutter (Johanna Lindinger) bewegen sich mit Intellekt (er) und Eleganz (sie) zwischen den Welten und ebnen Eliza den Weg, da sie ihr menschliches Potential zu sehen vermögen. Von unten nach oben in der Gesellschaft bewegt sich auch Elizas Vater Alfred (Matthias Degen als Gast), der am intensivsten berlinert und so manchen Lacher erntet.
Nach der Choreographie von Robert North tanzen Ensemble-Mitglieder auf dem Rund der Spieluhr — ein Tribut an die Gattung. Das Musical „My Fair Lady“ wird von Andreas Fellner vortrefflich dirigiert. Musikalische Themen arbeiten die Philharmoniker schon im Vorspiel heraus; und alle die Songs wie „Bringt mich pünktlich zum Altar“, „Wär’ dat nich wundascheen?“ oder „Ich hätt’ getanzt heut’ Nacht“ klingen noch im Zuschauer nach.
Das Publikum im ausverkauften Haus amüsierte sich, war sehr angetan und applaudierte begeistert.