Stadttheater Tänzer setzen eigene Ideen um

Krefeld · Bei der Premiere in der Fabrik Heeder zeigen neun Mitglieder des Ballettensembles ihre Choreographien.

Die Choreographie-Werkstatt zeigt auch Showdance-Einlagen.

Foto: Matthias Stutte

Im Rahmen der Choreographie- Werkstatt 2018/19 des Theaters Krefeld- Mönchengladbach hatten neun Tänzer aus dem Ballettensemble von Robert North die Gelegenheit, erste eigene Choreographie-Ideen auszuprobieren und kreativ umzusetzen. In der Fabrik Heeder wurden dem Publikum am vergangenen Sonntag acht Uraufführungen unterschiedlichen Formats zu einem breiten musikalischen Spektrum präsentiert.

 Die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen wird in unterschiedlichen Situationen und Paarkonstellationen dargestellt. Auf einer Gefühlsscala von Trauer bis spritziger Freude wechseln sich komödiantische Showelemente mit traditionellen, folkloristischen und mythologischen Themen ab. Die von Udo Hesse entworfenen Kostüme und die Bühne bilden den passenden Rahmen dieses Projekts.

Die zerstörerische Kraft
von Charakterstörungen

In „You and I“ hat Victoria Hay versucht, die zerstörerische Kraft von Charakterstörungen auf zwischenmenschliche Beziehungen darzustellen.

In klassisch anmutenden Pas des deux- Elementen kombiniert mit den kecken Hüftschwüngen eines Gay- Pärchens mit Hosenträgern stellt sie ein glückliches und ein tragisches Liebespaar einem dysfunktionalen Paar gegenüber. Eine schöne Idee mit sehr guten Ansätzen.

Dazu allerdings die groteske Gestalt eines Donald Trump zu bemühen, der mit orangefarbener Perücke und Handy zu der Musik von Simon and Garfunkel über die Bühne hüpft, sprengt durch den ungewollt politischen Beigeschmack den thematischen Rahmen.

Amelia Seth hat in ihrer Choreographie „Simon Says“ auf fröhlich bewegter Saxophonmusik die Macht der Konformität durch Nachahmung thematisiert. Zwei Tänzerinnen und zwei Tänzer in bunten T-Shirts rufen sich verschiedene Aufforderungen zu, die jeweils mit „Simon says...“ beginnen und alle dann gemeinsam ausführen. Von lustigen Befehlen wie „..smell your feet!“- „...riecht an euren Füßen!“ kommen sie dann, von der Musik getragen, in längere moderne Tanzsequenzen.

Auf den virtuosen Klängen von Vivaldis Winter aus den Vier Jahreszeiten hat Yoko Takahashi in „Fuyu“ (japanisch: Winter) ein kunstvolles Pas des Deux zweier Männer mit homoerotischen Tendenzen kreiert (großartig: Radoslaw Rusiecki und Illya Gorobets), die symbolisch das Leben und den Winter darstellen. Die Strenge und Klarheit ihrer Bewegungen erinnert dabei an klassisch japanische Theatertraditionen.

Takashi Kondo erzählt in „Milonga“ (Musik von Piazzola) feurige, kleine Tango-Geschichten mit einem schwarzgekleideten Herrenensemble und einer einzigen Tänzerin (Yasuko Mogi) im roten Carmen-Kostüm.

Der zweite Teil des Abends überrascht mit dem pantomimischen Opening eines koketten Damentrios in pastellfarbenen 50er-Jahre-Kleidern. Mit „A Lifetime of you loving me“ von Radoslaw Rusiecki und Francesco Rovea“ wird das Publikum in eine heitere Traumwelt zwischen Dirty Dancing und Broadway- Showdance im Gene Kelly- Stil entführt.

In „Liebend“ stellt Teresa Levrini sehr gelungen drei Paare in unterschiedlichen Beziehungssituationen vor. Die personifizierte Liebe, sehr ausdrucksstark dargestellt und getanzt von Duncan Anderson, hilft den Paaren, ihre Schwierigkeiten zu überwinden.

Ein Höhepunkt des Abends
ist „Assenza“ von Borghesani

Pergolesis „Stabat Mater“ bildet die transzendentale Grundlage für seine bewegende Darstellung der fünf Stufen eines weiblichen Trauerprozesses.

Dabei verwendet er ganz eigene expressive und zugleich ästhetische Bewegungsformen, die der klassisch griechischen Tragödie entlehnt sind. Mit einer fröhlich-folkloristischen Darbietung des gesamten Ensembles schließt der Abend. Marco A. Carlucci erzählt eine Geschichte aus seiner Heimat Apulien. Wie in der bekannten Tarantella geht es auch in „Pizzica“ um den Biss einer Spinne, der ein Mädchen in den Wahnsinn treibt. Erst durch den obsessiven Tanz ihres Geliebten mithilfe eines Tambourins kann sie wieder geheilt werden. Insgesamt ein beeindruckender und genussvoller Ballettabend, natürlich nicht zuletzt wegen der großartigen tänzerischen Leistungen des Ensembles. Weitere Infos gibt es unter: