Tanzfestival Move: Marionette oder freier Mensch?
Mit einem Gastspiel aus Amsterdam ist das Programm „Move!“ am Wochenende in der Fabrik Heeder eröffnet worden. Es sind die 9. Krefelder Tage für modernen Tanz.
Krefeld. Haben die nicht Kopfhörer in den Ohren? Was hören die da? Irgendwann hört man, was die drei Tänzerinnen und die zwei Tänzer da vermeintlich hören. Es sind Kommandos. "Bleib stehen." - "Geh nach vorne." - "Schließ die Augen."
Für einen kurzen Moment lässt sich die Amsterdamer Choreographin Anouk van Dijk bei ihrer Tanzperformance "Borrowed Landscapes" da in die Karten schauen, und man glaubt besser zu verstehen, was man sieht.
Die "9. Krefelder Tage für modernen Tanz" haben in der Fabrik Heeder begonnen, unter dem Titel "Move!" werden in den nächsten Wochen etliche Gastspiele zu sehen sein.
Mit vier Produktionen aus den Niederlanden wird das Nachbarland besonders gefeatured. Also startete man auch mit einem niederländischen Gastspiel. Der Auftakt geriet verheißungsvoll.
Der Begriff "Borrowed Landscapes" (geliehene Landschaften) steht für ein Konzept der japanischen Gartenkunst, Gärten so zu gestalten, dass sie in ihrer Umgebung aufzugehen scheinen. Das Kleine verschwindet im Großen.
Ist der Mensch frei, oder wird er von übergeordneten Systemen dominiert, die er nicht durchschaut? Diese Frage interessiert van Dijk. Sie lässt ihre Darsteller in wechselnden Formationen agieren. Die Tanzsprache ist sehr dynamisch, wird von weiten Arm- und Beinschwüngen bestimmt.
Da erscheint einem zunächst vieles sehr individuell, dann aber gibt es kurze Simultanpassagen, ohne dass den Akteuren bewusst zu sein scheint, dass sie sich identisch bewegen.
Als die Kommandos aus dem Off erklingen, denkt man: Aha, die haben die ganze Zeit nur die Anweisungen der Choreographin befolgt, man hat Marionetten zugesehen. Aber dann geben sich die Akteure selbst die Kommandos und gewinnen eine kollektive Kraft, mit der sie dem Publikum buchstäblich nahe rücken. Dann aber wieder überlagern sich verschiedenste Kommandos, und das lässt die Aktion erlahmen.
Zum Schluss beginnt einer der Tänzer einen suggestiven Text zu sprechen: "Stell Dir den Wind vor." Und so weiter. Eine Offstimme übernimmt, alle Akteure bewegen dazu nur noch die Lippen. Man kennt diese einlullenden Formeln, die einen vorgeblich zu sich selbst bringen sollen.
Und dann fällt auf einmal die cirka sechs Meter hohe Rückwand zwischen den Akteuren auf den Boden. Die verdrängte Luft streicht über die Zuschauer hinweg, die sicher alle kurz den Atem angehalten haben. Der enge Raum der Performance hat sich geöffnet - man kann hinaus ... Viel Beifall.