Theater 2014/15: Vom Lummerland bis Fukushima

Jim Knopf, stumme Schauspieler und ein Krimi-Musical zum Selberlösen: Das Theater hat 2014/15 viel vor.

Foto: M. Stutte (8), A. Bischof

Krefeld. Das fünfte Jahr einer Beziehung ist kompliziert. Man kennt sich und fühlt sich wohl miteinander, doch es macht sich erste Routine breit. Deshalb bieten Intendant Michael Grosse und sein Team dem Publikum im fünften Jahr ihrer Amtszeit einige überraschende Ideen: ein stummes Schauspielensemble, ein Krimi-Musical zum Selberlösen, Ballett zu Dudelsackklängen und vier Stunden antike Tragödie.

Foto: Matthias Stutte

Schauspieldirektor Matthias Gehrt, der bereits mit „König Ödipus“ sein Gespür für Jahrtausende alte Stoffe bewiesen hat, inszeniert die Trilogie „Orestie“ von Aischylos an einem Abend: „Das wird ein Großprojekt im Format von ,Faust I & II’“, betont Gehrt. „Fast alle Schauspieler werden auf der Bühne stehen.“ Zu sehen ist es zur Spielzeiteröffnung in Mönchengladbach.

Foto: Matthias Stutte

In Krefeld beginnt die Saison erstmals unter Grosse mit einem Ballett. Schon am 30. August — früh wie selten — lässt Chefchoreograf Robert North seine Compagnie zu Carl Orffs pompöser „Carmina Burana“ tanzen. „Ich habe mich bei der Choreografie stark an den Texten der Lieder orientiert“, sagt North, der für die Produktion auch alle Chöre des Theaters zur Verfügung hat.

Das ohnehin beliebte Weihnachtsmärchen dürfte in Krefeld diesmal ein Selbstläufer werden: Mit „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ zaubert Regisseur Gerald Gluth-Goldmann („Ronja Räubertochter“) einen der beliebtesten Kinderbuch-Stoffe auf die Bühne. In Gladbach haben Susanne und Karsten Seefing, schon bei „Die kleine Seejungfrau Rusalka“ ein bewährtes Duo, die Kinderoper „Die Schöne und das Biest“ bearbeitet.

Auch sonst finden sich im Musiktheater neben den bereits aufgeführten „Manon“ und „Stiffelio“ viele bekannte Stoffe: „Der Rosenkavalier“ in Krefeld, „Peter Grimes“, „Hoffmanns Erzählungen“ und „Don Giovanni“ in Gladbach. Ein Experiment wagt Operndirektor Andreas Wendholz mit dem Musical „Das Geheimnis des Edwin Drood“. „Das Stück beruht auf einer unvollendeten Kriminalgeschichte von Charles Dickens“, erklärt Wendholz. „Das Publikum stimmt jeden Abend über den Mörder ab und beeinflusst so das Ende.“

Auch Matthias Gehrt setzt einige gewagte Akzente: In Steffen Menschings „Das Ballhaus“ lässt Frank Matthus („Rocky Horror Show“) einen Bilderbogen des 20. Jahrhunderts entstehen, bei dem die Schauspieler kein Wort sagen, sondern lediglich tanzen. Ein noch unbetiteltes Projekt des japanischen Regisseurs Kuro Tanino befasst sich mit dem Reaktorunglück von Fukushima. Und Gehrt selbst wird Lars von Triers faszinierendes Filmrätsel „Dogville“ inszenieren: „Wir versuchen, eine ganze Stadt auf der Bühne unterzubringen.“

Hinzu kommen Klassiker wie die Krimikomödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ und Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ (beide Krefeld) sowie Wolfgang Borcherts Kriegsdrama „Draußen vor der Tür“ (Gladbach). Eine Laune der Disposition will es zudem, dass Krefeld mit „Was ihr wollt“ und „Romeo und Julia“ gleich zwei Shakespeare-Stücke zu sehen bekommt.

Choreograf Robert North entwickelt neben „Carmina Burana“ und „Lachen und Weinen“ eine „Tangonacht plus . . .“, in der neben Astor Piazzollas argentinischen Klängen auch zu schottischer Dudelsackmusik getanzt werden soll. In Gladbach zeigt er die Produktion „Petruschka/Offenbach“. „Die Idee ist, dass der berühmte Komponist nach seinem Tod aus der Unterwelt zurück nach Paris geschickt wird. Dort trifft er Picasso und Strawinsky“, erzählt North.

Mit solch schrägen Ideen verkörpert der 68-jährige Choreograf wohl genau das, was Intendant Grosse mit seinem Credo „Konvention und Innovation“ meint: „Wir setzen auf Kontinuität, versuchen aber, den einen oder anderen Haken zu schlagen.“ Das soll übrigens auch in der zweiten Amtszeit seines Teams ab 2015 gelten — wenn eine funktionierende Beziehung in die nächste Phase geht.

Das Spielzeitheft landet in den nächsten Tagen in den Briefkästen der Abonnenten und liegt an den bekannten Stellen aus.