Premiere für Oper 70 Sänger bringen Urfassung von „Boris Godunow“ nach Krefeld
Die mehr als 150 Jahre alte Oper feiert am Sonntag Premiere im Stadtheater. Der Abend verspricht vielseitig zu werden.
Der Konflikt zwischen Individuum und Volk steht im Mittelpunkt der Oper „Boris Godunow“. Das Werk des Komponisten Modest Mussorgskij hat eine lange Geschichte. Die 1868 entstandene Urfassung wurde damals abgelehnt. Es entstanden weitere Fassungen, so dass sich bei jeder heutigen Aufführung die Frage stellt, welche man spielt. Im Theater Krefeld setzt man auf diese einst abgelehnte Urfassung. Am kommenden Sonntag, 27. Oktober, ist die Premiere. Für Dramaturgin Ulrike Aistleitner zeichnet sich diese Fassung durch eine „gewisse Schroffheit“ aus. Die Handlung wird in sieben Bildern auf sehr moderne Weise erzählt, mit großen zeitlichen und örtlichen Sprüngen.
Für Regisseurin Agnessa Nefjodov handelt es sich bei der Geschichte um einen sehr aktuellen Stoff. Der Herrscher Boris Godunow will nur das Beste für sein Volk, hat dafür aber Schuld auf sich geladen. In der Beziehung zwischen Herrscher und Volk fokussiert sich alles auf das Menschliche und auf die Psyche. Boris wird im Wechsel mal als Mensch, dann wieder in seiner Herrscherrolle gezeigt. Große Oper und kleine intime Szenen bilden einen starken Kontrast. Vor diesem Hintergrund setzt die Regisseurin auf eine klare und direkte Umsetzung. Die Bühne bleibt reduziert, es wird viel über das Licht gemacht. Licht verkörpert auch Hoffnung und in der Oper geht es für die Regie vor allem um das Scheitern dieser Hoffnungen.
Als sehr klar und teilweise transparent bezeichnet Generalmusikdirektor Mihkel Kütson die Musik. Während sich in den großen Chorszenen eine üppige Klangwelt mit viel Schlagwerk und Glocken entfaltet, zeigen andere Szenen eine ganz reduzierte Orchestrierung. So zeichnen in einer Szene die Bratschen den Lauf einer Schreibfeder nach. „Die Musik ist bildlich, aber nie plakativ“, ergänzt die Regisseurin. Auch folkloristische Anklänge sind zu hören. Die großen Chorszenen erfordern eine entsprechende Besetzung. So wird bei dieser Aufführung der Chor auf rund 70 Sänger aufgestockt. Musik und Gesangsstimmen sind insgesamt sehr dunkel getönt. „Die Tenöre assistieren nur“, sagt Kütson. Dementsprechend ist die Titelfigur in der Stimmlage eines Basses geschrieben.
Bei der Krefelder Premiere wird mit Mischa Schelomianski ein Gast zu erleben sein. Dass Russisch seine Muttersprache ist, empfindet das Regieteam als Glücksfall. Gerade im Russischen sei der Klang der Sprache für die Musik entscheidend, so Kütson. Dass er selbst und die Regisseurin ebenfalls Russisch sprechen, war für die Arbeit sehr hilfreich. „Die Musik ist Balsam für die Seele“, ergänzt Aistleitner.
Es verspricht also ein vielseitiger Abend zu werden. Für die Premiere am Sonntagabend (18 Uhr) gibt es noch Karten ab 21,50 Euro.