Theater-Premiere: Im guten wie im bösen Sinne

„Das Interview“ bietet Sprengstoff, aber nicht als Gesellschaftskritik. Es schildert die kosmische Kollision von Mann und Frau.

Krefeld. Schon der Titel ist eine Provokation. "Das Interview" ist nämlich keins und hat nie die Chance, eines zu werden. Wie sollte es auch, wenn der Reporter sich gleich mal als Schwuchtel beschimpfen lassen muss und das Soap-Sternchen als Erstes erfährt, dass der Interviewer sie weder kennt noch schätzt? Schon der kleinste gemeinsame Knigge, der höfliche Handschlag, misslingt kläglich.

Das Stück von Theo van Gogh und Theodor Holman, das am Freitag in der Fabrik Heeder Premiere feierte, sorgt von Beginn an für Irritation. Mit Politikredakteur Pierre Peters (Adrian Linke) und Schauspielerin Katja Stuurman (Anja Barth) sitzen sich zwei Medienprofis gegenüber, die fast im Schlaf die Konventionen beherrschen müssten. Frage, Antwort, Aktion, Reaktion, zur Not auch Provokation und anschließendes Gezicke. Aber dieses Desaster? Eigentlich unmöglich.

Es sei denn, man glaubt daran, dass es Menschen gibt, die füreinander bestimmt sind - im guten wie im bösen Sinne. Je mehr "Das Interview" eskaliert, umso mehr bekommt man das Gefühl, Zeuge einer kosmischen Kollision zu werden, die unvermeidlich ist, sobald die zwei Protagonisten in die gleiche Umlaufbahn geraten. Sie küssen und sie schlagen, verletzen und versorgen sich, nur um das Pflaster mit einem Ruck wieder abzureißen und noch tiefer in der Wunde zu bohren. Von Zeit zu Zeit unterbreiten beide zarte Friedensangebote, doch der jeweils andere spuckt auf das unterschriftsreife Papier. Eine Therapiesitzung hat Regisseur Siegfried Hopp das Stück genannt. Das ist maßlos untertrieben: Es ist ein Gemetzel, das ohne einen Tropfen Blut auskommt.

Die Besetzung für den brutalen Geschlechterkampf ist perfekt gelungen. Adrian Linke setzt mit seiner nervösen Energie das Tempo. Er zeichnet das Bild eines gebrochenen Mannes, der sich nie zugestanden hat, seine Trauer zu bewältigen. Seine Arroganz tarnt die eigene Verletzlichkeit, in seiner Aggressivität liegt stets ein Erschrecken über sich selbst. Anja Barth ist der Gegenpart, kühl und makellos wie ihre Designer-Wohnung (Bühne und Kostüme: Birgit Eder), scheinbar passiv, dochzum Sprung bereit, undurchschaubar zwischen Traurigkeit und kokettem Selbstmitleid.

Trotz der extremen Situation bleiben diese Figuren fast bis zum Schluss glaubwürdig. Dann hält das Stück einige Wendungen parat, die wie billige Taschenspielertricks wirken. Sie beweisen leider auch, dass eine Frage, die sich anfangs in den Kopf schleicht und während des fesselnden Duells in den Hintergrund tritt, nicht ganz unberechtigt ist: Wo will das Stück eigentlich hin?

Als Medienkritik ist es halbgar, als Gesellschaftsbild untauglich, die Bezüge zum Bosnienkrieg und zur niederländischen Innenpolitik wirken unbeholfen. Sollte der notorische Provokateur Theo van Gogh, der 2004 von einem Islamisten umgebracht wurde, wirklich "nur" von Mann und Frau erzählen wollen? Regisseur Hopp und Dramaturgin Judith Heese tun jedenfalls gut daran, ihren Blickwinkel weitgehend darauf zu beschränken: Genügend Sprengstoff bietet er allemal.