Theater zeigt Lieblingsoper des Diktators - „Hitler muss geschlafen haben“
Operndirektor Andreas Wendholz über ein künstlerisches Wagnis.
Krefeld. Herr Wendholz, „Rienzi“ war Hitlers Lieblingsoper, sie spielte eine wichtige Rolle in der Nazi-Propaganda. Warum wollen Sie das Werk nun wieder herauskramen?
Andreas Wendholz: Die Oper ist beschädigt durch den Nationalsozialismus. Sie hat einen Beigeschmack, aber sie hat musikalisch und inhaltlich Qualitäten. Letztlich kann das Werk nichts dafür, dass Hitler es gut fand.
Wendholz: Die Oper ist eingängig und emotional aufwühlend, sie handelt von einem Führer, der das Volk einen will. Aber Hitler muss im vierten und fünften Akt geschlafen haben, wenn das Volk seinen Helden stürzt. Es kann nur auf einem Missverständnis beruhen, dass er die Oper so mochte.
Was interessiert Sie heute daran?
Wendholz: “Rienzi“ ist eine politische Oper und thematisiert etwas, das uns noch heute angeht: den steilen Aufstieg und tiefen Fall eines Staatsmanns. Das erleben wir oft, wenn Medien über einen Fauxpas herfallen.
Das heißt, wir werden eine moderne Inszenierung erleben?
Wendholz: Ja, es wird moderne Elemente und Bezüge geben.
Und der Nationalsozialismus?
Wendholz: Wird bei uns keine Rolle spielen. Philipp Stölz hat das in seiner Berliner Inszenierung exemplarisch ausgedeutet. Da wählen wir einen anderen Satz.
Dennoch birgt die Rezeptionsgeschichte von „Rienzi“ die Gefahr einer Schere im Kopf.
Wendholz: Das sehe ich anders. Wir haben die Chance, unbefangen mit dem Werk umzugehen, indem wir keine Nazi-Anspielungen wählen, sondern es radikal aus heutiger Sicht betrachten. Man kann es goutieren, obwohl es Hitlers Lieblingsoper war.
Die Familie Wagner hat 2008 angekündigt, „Rienzi“ wieder in den Bayreuther Kanon aufnehmen zu wollen. Ist es fünf Jahre später noch ein Wagnis, das Werk auf den Spielplan zu setzen?
Wendholz: Ich empfinde es als Wagnis. Zumal die Aussage der Familie Wagner bis heute ein Lippenbekenntnis geblieben ist. Es gibt ja auch viele Wagnerianer, die „Rienzi“ abgrundtief hassen. Die szenischen Aufführungen der Oper in den vergangenen 20 Jahren lassen sich an einer Hand abzählen, in dieser Spielzeit sind wir bundesweit das einzige Stadttheater, das „Rienzi“ macht. Es ist eine Herausforderung, einen kritischen Geist als Regisseur zu finden, der über den Text mit seinem Heils-Brimborium hinaus denkt. Den haben wir nun mit Matthias Oldag.
Wie stehen Sie selbst zu Wagner?
Wendholz: Ich habe meine Zeit gebraucht, ihn lieben zu lernen. Doch bei meinem ersten Bayreuth-Besuch habe ich gemerkt, wie die Musik einen packen kann. Ich denke, bei Wagner muss man klar trennen. Musikalisch war er ein Genie, persönlich jedoch ein unangenehmer Mensch, der Leute benutzt hat, ein antisemitischer Hetzer. Ich muss sagen: Privat steht mir Verdi zehnmal näher.
Können Sie sich weitere Wagner-Projekte vorstellen?
Wendholz: Natürlich, das wird in den nächsten Jahren kommen. Der „fliegende Holländer“ steht sicher wieder einmal an. Man muss allerdings bedenken: Wer Wagner macht, muss ihn groß machen — und das ist extrem kostspielig. Das Bühnenbild hat gigantische Ausmaße, man braucht die richtigen Sänger und einen Riesenchor.
Haben Sie Sorge, mit „Rienzi“ unerwünschte Gäste anzulocken?
Wendholz: Ich denke, solche Menschen sind meist nicht sehr kulturaffin. Wenn das passiert, fände ich es furchtbar. Aber die Aufführung wäre für sie vielleicht eine gute Nachhilfestunde in Sachen Geschichte.