Überzeugende Tanzsequenzen in stark rhythmischer Soundcollage

Die Tänzerin und Choreographin Maura Morales zeigte ihre neue Produktion „Sisyphos war eine Frau“ in der Fakrik Heeder.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Mund frisst Lippenstift. Augapfel verschlingt Eyeliner. So scheitern Frauen. Die Nahaufnahmen auf dem Leinwand-Streifen zeigen wie eng die Grenze zwischen Schönheitspflege und Schmerz sein kann - und Ekel. Denn die Kamera dringt in Körperhöhlen und -falten vor, von denen man nicht wissen will, welche es sind.

„Sisyphus war eine Frau“ behauptet die Tänzerin und Choreografin Maura Morales in ihrer neuen Produktion. Bei der Uraufführung in der Krefelder Fabrik Heeder im Rahmen des Festivals „Move!“ schwebte der Stücktitel wie ein Fragezeichen im Raum.

Denn das Motiv des griechischen Helden und seines vergeblichen Strebens auf Lebenszeit, einen Felsbrocken aus der Unterwelt auf einen Berg hinauf zu rollen, der ihm jedes Mal kurz vor dem Gipfel entgleitet und wieder hinab rollt, ist kaum erkennbar. Dafür präsentieren drei bildschöne Frauen, darunter Maura Morales, ihre Körper zwischen männlichem Klischee und lustvoller Selbstbestimmung. Abgründe inklusive, wie gern bei der Kubanerin. Der Voyeur im Zuschauer wird bedient.

„Was willst du heute Abend essen?“ oder „Es gibt Frauen und es gibt Schlampen“ oder „Muslima können nicht unterdrückt sein, sie folgen dem Willen Allahs“ sind solche Sprüche aus dem Off, denen das Trio die geballte Weiblichkeit entgegenhält. Ihren blanken, vibrierenden Po zeigen sie dem Publikum durch ausgesparte Schlitze in Stoffbahnen.

Überzeugender sind die Tanzsequenzen, die Soli, Duette und Terzette, die Maura Morales äußerst einfallsreich choreografiert hat. Homo-Erotik, recht vordergründig, wird da demonstriert zu einer stark rhythmischen, bisweilen auch schwülen Soundcollage von Michio. Der Komponist und Musiker sitzt hinter der transparenten Projektionsbahn am Mischpult und spielt auch Gitarre.

Weibsbilder küssen und umschlingen sich, saugen den Geruch der anderen ein. Aus liebevoller Solidarität wird heftiges Begehren. Das Feuer löscht ein starkes Solo der Sprachlosigkeit. Morales kann nicht artikulieren, sie presst Geräusche hervor, drückt mit ihrem Mienenspiel schiere Verzweiflung aus. Ja, auch Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs sind ein Thema.

Im Finale dann die große Charme-Offensive. Als wären die Drei bei Pina Bausch in die Lehre gegangen. Sie schütteln minutenlang verneinend die Köpfe: tanzend, sitzend, liegend, durch das Publikum schreitend — nichts als Negation. Ihr Kopfschütteln wechselt im Ausdruck von Überheblichkeit über Verachtung, Nachsicht und Bedauern zu Belustigung. Als es dunkel wird, plaudern und kichern die Frauen wie Teenager. Offenbar ihre Lieblingsrolle.