Uraufführung: „African Moon“ - Intensiver Trip in den afrikanischen Dschungel

Das Stück „African Moon“ zeigt den schwarzen Kontinent als Ort der Sehnsucht und des Schreckens.

Krefeld. Afrika — da denken die einen an aufregende Safaris, exotische Tiere und den Kilimandscharo. Andere haben Bürgerkriege, Dürren und Kinder vor Augen, deren Bäuche vor Hunger ganz aufgebläht sind. Aber die Wahrheit liegt wie so oft irgendwo zwischen diesen extremen Polen.

Das beweist die Studioproduktion „African Moon“, die am Sonntag ihre Uraufführung in der Fabrik Heeder feierte, sehr eindringlich. Regisseur Matthias Gehrt zeigt den schwarzen Kontinent gleichzeitig als einen Ort der Sehnsucht und des Schreckens, vor allem für die Europäer, die dort leben.

Da ist Nora — eindringlich gespielt von Marianne Kittel —, die nach Afrika gekommen ist, um den Onkel ihrer an Krebs gestorbenen Frau Amy kennenzulernen. Sie wirkt wie die Haarspray-Frau aus der Werbung: Perfekt frisiert, im grünen Flatterkleid und weißen Trenchcoat, mit Rollkoffer und Einkaufstüte aus dem Duty-Free-Bereich steht sie am Flughafen und ruft in das Headset ihres Handys: „Ich bin in Afrika und alle Menschen hier sind schwarz. Das muss man gesehen haben.“

Doch ihren touristischen Enthusiasmus wird Nora nach nur wenigen Tagen verlieren. Sie landet in Onkel Pauls Klinik irgendwo im afrikanischen Nirgendwo und begegnet drei Männern, deren Ideale und Hoffnungen sich in bitterbösen Zynismus verwandelt haben.

Der schmuddelige Pfleger Martin (Christopher Wintgens) verabreicht den einheimischen Kindern einen gepanschten Impfstoff, der sie krank macht. Der Journalist David (Felix Banholzer), eine Art Cowboy mit Motorrad, versucht, den Arzneimittelskandal aufzudecken, und hilft am Ende dabei, ihn zu vertuschen. Und der Herrscher dieses kleinen Universums ist Dr. Paul König (Joachim Henschke), der an der Schwelle des Wahnsinns zu stehen scheint.

Die Schauspieler liefern sich einen intensiven Schlagabtausch auf der Bühne. Man merkt, dass der britische Autor Gabriel Gbadamosi ihnen die Rollen förmlich auf den Leib geschrieben hat. Vor allem Henschke brilliert als undurchsichtiger Klinikchef. Sein Paul erinnert stark an Marlon Brandos durchgedrehten Colonel Walter E. Kurtz in „Apocalypse Now“ — und lässt den Zuschauer in manchen Szenen vor Entsetzen erschaudern.

Das Bühnenbild und die Kostüme von Elissa Bier und die Soundinstallation von Sven Treeß tun ihr Übriges, um eine dichte, flirrende, beinahe stickige Atmosphäre zu erzeugen. Das Krankenhaus wird nur durch ein Kreuz aus rotem Teppich angedeutet. Zwei billige Plastikstühle und eine Reihe Alkoholflaschen reichen völlig aus, um sich die Zustände vor Ort vorzustellen.

Über den Köpfen der Schauspieler hängen zig Lautsprecher, die sich wie Lianen im Wind wiegen. Aus ihnen dringen Geräusche aus dem Dschungel: Grillen zirpen, Moskitos surren ab und zu brüllt ein wildes Tier. Afrika als Soundcollage — das funktioniert besser als jedes Bild.

Die intensivsten Momente hat das Stück, wenn sich Nora und Paul in ihrer Trauer um Amy begegnen, mal liebevoll nah, mal wütend distanziert. Gbadamosi hat die Emotionen der Figuren in eine poetische Sprache gepackt, die reich an Bildern ist und damit eine große Kraft entfaltet. Vor allem in der Schlussszene, als sich Nora Amys Hochzeitskleid vor den Körper hält, als wolle sie sich schützen vor den verdorbenen Gedanken der weißen Männer in Afrika.

Weitere Termine: 5., 13., 17. und 24. Juni sowie 8. Juli, jeweils 20 Uhr, Studiobühne I, Fabrik Heeder.