Voller Gefühl und Ausdruck

Einen brillanten Klavierabend bot das Kawai-Konzert mit Viviana Lasaracina im Helmut-Mönkemeyer-Saal.

Foto: Dirk Jochmann

Bockum. In seiner Begrüßung stellte Philipp Potz, künstlerischer Leiter von Kawai Europa, das Besondere des Klavierabends heraus: „Der Großteil der Pianisten, die ganz ganz oben mitspielen, kommt im Schwerpunkt aus Asien oder Osteuropa. Aber heute kann ich Ihnen einen Diamanten aus Südeuropa ankündigen: Viviana Lasaracina.“ Der Blick auf das Jahresprogramm der Kawai Klavierkonzerte im Helmut-Mönkemeyer-Saal der Musikschule bestätigt dies: Es steht 7: 2 für die „Ost-Fraktion“ der internationalen Spitzen-Nachwuchspianisten.

In ihrem Programm schlägt die junge Italienerin (*1988) musikalisch einen Bogen zwischen den beiden geographischen Räumen und zieht dabei „Klangvoll Spanien nach Russland“. Mit Isaac Albéniz (1860-1909) Iberia Buch 1 beginnt sie die musikalische Reise. Im ersten Satz Evocación präsentiert sie gleich ein einfühlsames wie ausdrucksvolles Spiel mit dem Mut zur Langsamkeit, zum Verweilen. Ihre Interpretation entführt den Zuhörer in andere Sphären. Sie bringt spanische Reminiszenzen von bemerkenswerter Zartheit — traumhaft im wahrsten Sinne des Wortes.

Im zweiten Satz El Puerto kann sie Temperament an den Tasten beweisen, und sie arbeitet schön die typischen spanischen Rhythmen heraus. Vor dem inneren Auge sieht man spanische Tänzerinnen in Bewegung. Bei Corpus Christi en Sevilla zeigt sie ein breites Spektrum — kraftvolles, virtuoses und dramatisches, dann sehr behutsames Spiel, das wunderbar die langsamen Melodiebögen herausstellt. Spanisch meditativ — eine Musik zu Entschleunigen liefernd — und kraftvoll im Wechsel geht es weiter mit den Sätzen Los Requiebros und El amor y la muerte aus den Goyescas von Enrique Granados (1867-1916).

El amor y la muerte (Die Liebe und der Tod) wird unter ihren Händen zum feinen wie höchst gefühlvollen Klangbild. Tänzerisch wiegend, heiter beschwingt, beflügelt durch die Liebe, man kann mühelos die Stimmungen nachempfinden. Da flattern in den federleichten Läufen die Schmetterlinge im Bauch, man hüpft vor Freude. Der Tod, den der Titel eigentlich ankündigt, kommt nicht vor, doch den vermisst man hier nun wirklich nicht.

Nach der Pause bietet Lasaracina von Sergej Rachmaninoff (1873-1943) Variationen über ein Thema von Corelli op. 42. In den Variationen entlockt sie dem Flügel ein breites Spektrum an Klangfarben, mit dem sie ihre technischen Fähigkeiten bestens unter Beweis stellt. Sie fasziniert das Publikum sogar so, dass es nach diesem Werk zu klatschen vergisst. Es folgt die Klaviersonate Nr. 3 in fis-Moll op. 23 von Alexander Scriabin (1872-1915). Der erste Satz Drammatico bietet Gelegenheit, auch reichlich lyrische Fäden zu spinnen. Im Andante kann die Pianistin dies weiter führen und ihr lyrisches Netzwerk durch nuancenreiche Interpretation abwechslungsreich knüpfen. Beim Schlusssatz Presto con fuoco — Maestoso lässt sie keine Sekunde Zweifel am Thema aufkommen und liefert ein fulminantes Finale ihres Auftritts.

Für den begeisterten Applaus bedankt sie sich mit einer Zugabe von Rachmaninoff in atemberaubendem Tempo. Applaus im Stehen ist fällig.