Von der Faszination asiatischer Textilien

Exponate aus Japan, Korea und China stehen im Mittelpunkt der Ausstellung „Reflexionen“. Experte Walter Bruno Brix erklärt ihre kulturellen sowie sozialen Besonderheiten.

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Als Walter Bruno Brix, Experte für ostasiatische Textilien, in der Sammlung des Deutschen Textilmuseums die Inschriften eines traditionellen japanischen Hutes entdeckte, war die Verwunderung groß. In deutscher Sprache ist in blasser Schrift der Satz „Zahnarztvereinigung Seoul“ auf dem Saum des Hutes eingraviert, der als typischer Kopfschmuck der koreanischen Oberschichtsgruppierung der Yangban um das 19. Jahrhundert galt. Der Ursprung des Schriftzugs ist trotz intensiver Suche noch immer unbekannt. Nichtsdestotrotz wird der Hut in der Ausstellung des Deutschen Textilmuseums kuratiert und stellt eine kleine Kuriosität in einer vielfältigen Ausstellung dar, die den textilen und kulturellen Facettenreichtum Ostasiens und die kreativen Fertigkeiten örtlicher Künstler gleichermaßen betont.

Das Deutsche Textilmuseum rühmt sich einer umfangreichen Sammlung aus dem asiatischen Raum, die sogar größer als die des Ostasiatischen Museums in Köln sei, erklären Brix und Annette Schieck, Leiterin des Krefelder Museums. Begleitet wird Brix, der international im Textilbereich vernetzt ist, von der taiwanesischen Kuratorin Yi Shiuan Wu, die sich auf traditionellen chinesischen Haarschmuck spezialisiert hat. Kennengelernt haben sie sich über ein Forum im Internet. Man müsse sich fachbezogen austauschen, denn man könne nicht alles wissen, so Brix.

Passend zu den verschiedenen Ausstellungsstücken aus Südkorea, Japan und China fertigten Künstler aus der Region, die einen kulturellen Bezug zu Ostasien aufweisen, mehrere Werke an. Dies stehe in der Tradition des Museums, dessen Sammlung ursprünglich als Vorbildsammlung der Hochschule Niederrhein angelegt wurde. „Die Werke erzählen Geschichten, durch die wir eine Verbindung zu den Menschen von damals bekommen“, kommentiert Brix die Sammlung von bis zu 2000 Exponaten aus dem asiatischen Raum, von denen einige auserwählte Stücke mitunter als Vorlage für neue Kreationen der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Der kulturelle Reichtum, der sich in den Textilien ergründet, ist sichtlich eindrucksvoll. Über mehrere Meter erstreckt sich ein sogenannter „Kesa“ über den Museumsboden. Das buddhistische Priestergewand besteht aus unzähligen einzelnen Stofffragmenten, die zu einem größeren Gewand zusammengesetzt worden sind und konzeptionell auf der buddhistischen Lebensphilosophie basieren. So charakterisiert die Trennung und erneute Verknüpfung des Stoffes die Auflösung weltlicher Bande, während sich in dem Muster und dessen Zusammensetzung die buddhistische Weltanschauung widerspiegelt. Auch kulturspezifische Verarbeitungstechniken von Textilien werden beispielsweise anhand eines mit Indigo gefärbten Kimono-Stoffes im Rahmen der Ausstellung vorgestellt. Mit einem langen, weißen Vorhang habe ein Künstler, der von den Knitterstrukturen des Exponats fasziniert gewesen sei, darauf reagiert, so Annette Schieck.

Das Glanzlicht der Ausstellung bleiben gleichwohl die beiden Kimonos inmitten des Ausstellungsbereiches, die ein Zeugnis der ostasiatischen Kultur in der Zeit um 1800 sind. Der japanische, farbenfrohe Kimono ist anhand von diversen Bildelementen dem Samurai-Bereich zuzuordnen, erläutert Brix. „Dieser Kimono hat wahrscheinlich der Tochter eines Samurais gehört“, sagt er.

Oft sei die Kleidung ein Zeichen für die soziale Herkunft des Tragenden gewesen. Einen enormen Kontrast bildet ein dunkelblauer Kimono, der aus den letzten Jahren der chinesischen Qing-Dynastie zu entstammen scheint. Die abgebildeten, nahezu schwarzen Chrysanthemen gelten als Zeichen für den Herbst und gepaart mit den Schmetterlingssymbolen repräsentieren sie wohl das hohe Alter einer Person. Mit einer isolierten, bronzenen Blüte interpretiert eine Krefelder Künstlerin das Objekt neu. Generell sind die Exponate ein fragmentarisches Spiegelbild der Gesellschaft, in der sie entstanden sind. So verarbeitete ein Künstler unter anderem die indigogefärbten, typischen Hosen eines chinesischen Arbeiters in einem Keramik-Kochtopf.

Walter Brix selbst entdeckte seine Faszination für asiatische und insbesondere japanische Kunst bereits mit 14 Jahren. Durch seine Eltern entstand der Bezug zum Textilbereich. Im Zuge eines Stipendiums an der kaiserlichen Manufaktur während des Studiums in Japan verstetigte sich diese Passion. Dort habe er nicht nur viel über Textilien gelernt, sondern auch die japanische Lebensphilosophie verinnerlicht. „Das war eine inspirierende Erfahrung“, sagt er. „Wir sind froh, dass wir ihn haben“, konstatiert Museumsleiterin Annette Schieck.

Auch abseits der neuen Ausstellung habe sie derzeit allen Grund zur Freude. Mithilfe von Fördermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird ab dem 1. August ein vierjähriges Projekt unter dem Titel „Bürgerlicher Aufstieg im Spiegel der Objektkultur des 18. Jahrhunderts anlaufen.