Wagners „Rienzi“ bewegt im Theater die Massen

Das Wagnis hat sich gelohnt. Für das Theater wird Wagners umstrittenes Frühwerk zum Kritikerliebling und Publikumsmagneten.

Krefeld. Die Sache hätte gehörig schiefgehen können. An Wagner hat sich schon manches Stadttheater verhoben — und diesen Wagner rühren die meisten gar nicht erst an, weil nun mal der prominenteste Fan der Oper Adolf Hitler heißt. Doch die Krefelder Inszenierung von „Rienzi“ entwickelt sich für das Theater zur Erfolgsgeschichte. „Ein Termin ist fast ausverkauft, auch bei anderen wird es langsam eng“, sagt Martina Heffels vom Marketing-Team.

Der Einzelverkauf für „Rienzi“ laufe deutlich besser als der für andere Stücke. „Es gibt Viele Anfragen von außerhalb — aus Italien, Frankreich, Großbritannien und Japan“, sagt Heffels. „Dass die Leute Angst vor Wagner hätten, kann man jedenfalls nicht bemerken.“

Auch das Medieninteresse an der Inszenierung ist außerordentlich groß — für das Theater keine Selbstverständlichkeit. Bei der Masse an Premieren in Nordrhein-Westfalen stürzen sich die Journalisten eher auf größere Häuser in Köln, Düsseldorf oder im Ruhrgebiet. „Es ist nicht alltäglich, dass wir hier so einen Medienrummel haben“, sagt Saskia Fetten, Sprecherin des Theaters Krefeld-Mönchengladbach. „Das war, glaube ich, zuletzt bei der Uraufführung des ,Frauenorchester von Auschwitz’ der Fall.“ Die liegt sieben Jahre zurück.

Zur Premiere Mitte März registrierte Fetten zwei Dutzend Anfragen, etwa von der Deutschen Presse-Agentur, WDR 3, Fachzeitschriften und Internetportalen. Sogar aus Japan waren Journalisten vor Ort, um zu berichten. Der Tenor der Kritiken war überwiegend positiv.

Einige Rezensenten heben auch die Gesamtentwicklung des Musiktheaters am Niederrhein hervor. Generalintendant Michael Grosse und Operndirektor Andreas Wendholz haben das Profil seit ihrem Amtsantritt vor drei Jahren deutlich geschärft, unter anderem durch das Bekenntnis, verstärkt selten gespielte Werke ins Programm zu nehmen.

Dieses Wagnis wird oft belohnt: Produktionen wie „Die Liebe zu den drei Orangen“, „Norma“ oder nun „Rienzi“, die als schwer vermittelbar gelten, mausern sich zu Publikumserfolgen. „Ich habe mich gefreut, dass so etwas möglich ist“, sagt Wendholz. „Aber es passt zu meinem Eindruck des hiesigen Publikums: Die Menschen hier sind sehr offen.“ Der Operndirektor hofft, dass er „das Vertrauen und die Neugier“ für weitere Experimente geschaffen hat: „Wir wollen zeigen, dass sich auch hinter unbekannten Titeln spannendes Musiktheater verbergen kann.“

Bei „Rienzi“ schreibt Wendholz den Erfolg vor allem dem klaren Konzept zu: „Regisseur Matthias Oldag und Generalmusikdirektor Mihkel Kütson haben nicht jeden Takt für heilig erklärt. Es war ein großes Stück Arbeit, diesen Felsblock überschaubar zu machen.“ Im Gegensatz zu vielen anderen Modernisierungen, die beim Publikum Skepsis auslösen, stoße diese auf fast einhellige Begeisterung: „Die Verrückung ins Hier und Jetzt wird akzeptiert.“

Wie die wahren Wagnerianer die Krefelder Produktion finden, vermag der Operndirektor nicht zu sagen. „Kann sein, dass manche Wagner-Fans uns mit Verachtung strafen“, gibt Wendholz zu. „Aber von einer Petition ,Spielt lieber den Tannhäuser’ ist mir nichts bekannt.“