Wohnen Leben in einem alternden Ortsteil

In Gellep-Stratum gibt es keine Wohnangebote für Senioren, kritisiert ein Anwohner.

Krefeld. Ländlich gelegen, nicht weit entfernt vom Naturschutzgebiet Latumer Bruch und vom Römersee, durch die Düsseldorfer Straße aber gut angebunden an benachbarte Stadtteile und, wie es der Name sagt, an Düsseldorf: Ein großes Plakat an Gellep-Stratums Hauptstraße wirbt mit „modernen Eigentumswohnungen und Rheienhäusern im historischen Gut Römersee“. Eine Willicher Immobilienfirma will auf dem Gelände der Rheinschenke und des alten Gutshofs aus dem 19. Jahrhundert ein Luxus-Bauprojekt umsetzen, das für Käufer aus der Region interessant sein könnte — ein echtes Juwel in dem 3000-Einwoher-Örtchen. Noch in diesem Monat könnten die Bagger anrollen, um den Boden für die geplanten Doppelhaushälften zu ebnen; die heutigen Mietwohnungen und die alte Scheune sollen unter Erhalt der alten Gemäuer zu Eigentumswohnungen und Reihenhäusern umgebaut werden.

Klaus Jagusch wohnt auf der gegenüberliegenden Straßenseite und beobachtet die Entwicklungen an der Düsseldorfer Straße 280 mit Skepsis. „Statt Eigentumswohnungen hätte ich mir an dieser Stelle altengerechte Wohneinheiten mit Betreutem Wohnen oder ein Seniorenheim gewünscht“, sagt der 70-jährige Ehrenvorsitzende des Bürgervereins Gellep-Stratum. Der Ortsteil vergreise, sagt Jagusch. Statistiken der Verwaltung aus der Verbindlichen Bedarfsplanung von Pflegeplätzen für die Stadtteile im Zeitraum von 2015 bis 2018 (Stand Februar 2015) zeigt den Bedarf: In Gellep-Stratum gab es damals keinen der 16 ermittelten notwendigen Pflegeplätze.

Schon vor etwa 15 Jahren, damals noch unter seinem Vorsitz, habe der Bürgerverein Vorschläge erarbeitet, auf dem Gelände der an das Grundstück angrenzenden Anlage des Turn- und Sportvereins Gellep-Stratum eine Familien- und mehrgenerationengerechte Bebauung zu entwickeln, erinnert sich Jagusch. „Unser Plan war es, die Sportanlage auf die Freiflächen an der östlichen Seite der Fegeteschstraße umzusiedeln und dort auch eine Halle für den TuS Gellep-Stratum zu bauen.“ Die Idee: „Die Halle hätte auch als Mehrzweckhalle für Veranstaltungen genutzt werden können.“ Aus dem Sportverein habe es viel Zuspruch, aber auch kritische Stimmen gegeben — letztlich seien es aber die Interessen des benachbarten Rheinhafens gewesen, die die Pläne des Bürgervereins durchkreuzten, sagt Jagusch: „Die Hafenbetriebe wollten keine Mischbebauung auf den zur Industrie hin gewandten Freiflächen.“

Im Mai 2015 hatte der 70-Jährige in einem Schreiben an den baupolitischen Sprecher der CDU, Jürgen Wettingfeld, erneut auf das Anliegen und den alternden Stadtteil aufmerksam gemacht. Seine Beobachtung: Viele Senioren lebten seit Jahren in ihren Häusern, die Grundstücke seien oft zu groß, würden „aber nur ungern verlassen. Es besteht der Bedarf nach altersgerechtem, meist auch barrierefreiem Wohnraum im ortsnahen Bereich, damit die sozialen Kontakte erhalten bleiben“, schreibt Jagusch und schlägt unter anderem das Gelände an der Düsseldorfer Straße, die bis heute unbebaute Grünfläche daneben sowie die Sportanlage als mögliche Grundstücke für eben solche Wohnanlagen vor. Jürgen Wettingfeld bestätigt wenige Tage später den Eingang des Schreibens, dass er die Stadt um eine Stellungnahme gebeten habe und Jagusch über den Fortgang informieren wolle — eine Antwort hat der aber bis heute nicht aus der Verwaltung erhalten.

Doch Jagusch gibt nicht auf. Die Nachrichten um das geplante Bauvorhaben auf dem gegenüberliegenden Grundstück hat er im Mai, drei Jahre später, zum Anlass genommen, einen erneuten Vorstoß vorzunehmen: „Wir sollten an die Vergreisung unseres Ortsteils denken und Wege und Möglichkeiten für die Zukunft schaffen“, fordert er darin. Eine Antwort steht bis heute aus — „der Vorgang sollte geprüft werden“, man habe ihn sich auf „Wiedervorlage gelegt“, heißt es Anfang September aus der CDU-Geschäftsstelle. Jagusch fürchtet derweil, „dass die Immobilienfirma aus Willich sich auch die unbebaute Grünfläche neben Grundstück und Sportanlage sichern wird — damit wäre die Möglichkeit für eine seniorengerechte Bebauung gestorben“.