Wirtschaft Lieferverkehr: IHK will neues System

Krefeld · Statt mit dem Transporter sollen Pakete zu Fuß oder mit dem Rad an die Haustür kommen. Doch noch sind einige Fragen offen.

 Täglich kommt es wie hier am Ostwall zu Behinderungen im Verkehr durch die Wagen von Paketdiensten.

Täglich kommt es wie hier am Ostwall zu Behinderungen im Verkehr durch die Wagen von Paketdiensten.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Der Wandel des Lieferverkehrs in Krefeld rückt näher. In den nächsten Jahren könnten Anbieter wie DHL oder Amazon Pakete vermehrt mit dem Lastenrad oder zu Fuß an die Haustür bringen. Die wuchtigen Transporter, die den Verkehr allzu oft ausbremsen, könnten dafür seltener im Stadtbild auftauchen. Grund dafür ist ein Logistikprojekt, dass die Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein in Krefeld, Mönchengladbach und Neuss erproben möchte.

Ein entscheidender Schritt für das Vorhaben ist nun getan. Das Land Nordrhein-Westfalen fördert die 200 000 Euro teure Entwicklung des neuen Lieferkonzeptes mit 160 000 Euro. „Der Bewilligungsbescheid ist im September gekommen“, sagt Wolfgang Baumeister, bei der IHK zuständig für Verkehr und Infrastruktur. So könne in den kommenden Monaten ein konkreter Plan erarbeitet werden. Eine erste grundsätzliche Machbarkeitsstudie liegt zwar schon vor. Aber noch sind Fragen offen.

Die letzte Meile zum Kunden mit kleinen Fahrzeugen

Im Zentrum der IHK-Initiative stehen City-Hubs. In Metropolen sind diese schon üblich. Meist handelt es sich um Aufstellcontainer oder Gebäude der Paketdienstleister in einzelnen Stadtteilen. Dorthin werden die Sendungen gebündelt per Lkw angeliefert, um anschließend von Boten zu Fuß oder per Rad verteilt zu werden. Es geht also darum, die „letzte Meile“ zum Kunden mit kleinen Fahrzeugen zurückzulegen. Das soll neben der Entlastung des Stadtverkehrs Emissionen reduzieren. Letztlich soll die Aufenthaltsqualität in der Stadt steigen. Das Projekt in Krefeld und den anderen beiden Orten soll zeigen, wie so ein Konzept in einer mittelgroßen Stadt funktionieren kann. Baumeister spricht von einer „Blaupause“.

Um wichtige Details des neuen Lieferbetriebs zu klären, spricht die IHK derzeit mit den Paketdienstleistern und den Städten. Die Einstellung der Unternehmen zu dem neuen Ansatz habe sich zuletzt entscheidend gewandelt, sagt Baumeister. Vor zwei Jahren waren sie noch skeptisch, ob es gemeinsame City-Hubs in Städten der Größe Krefelds braucht. Nun interessieren sich die Unternehmen für das IHK-Projekt. „Damals haben sie den Druck noch nicht gehabt“, sagt Baumeister. Inzwischen würden die Firmen merken, dass viele Städte eine Verkehrswende in ihren Zentren anstreben. Baumeister erinnert an den Pop-up-Radweg in Krefeld. „Für Lieferfahrzeuge wird es so noch schwieriger, in der zweiten Reihe zu halten.“

Ein erster beispielhafter City-Hub für Krefeld soll laut IHK in der Innenstadt, nahe des Ostwalls, entstehen. Den genauen Standort möchte Baumeister noch nicht verraten. Die Verhandlungen mit dem potenziellen Vermieter sollen nicht gestört werden. Auch die Stadt Krefeld ist an den Gesprächen beteiligt. Bis es dort losgehen kann, wird es ohnehin noch dauern. Die IHK muss wichtige Fragen beantworten. Man müsse zum Beispiel genau definieren, welche Anforderungen die Paketlieferanten an so ein Depot hätten, sagt Baumeister. Was muss baulich gegeben sein? Wie viele Räder müssen vor Ort zur Verfügung stehen? Braucht es eine angeschlossene Fahrradreparatur? Das soll bis Ende Mai 2021 in einem Konzept erläutert sein.

Zudem möchte die IHK berechnen, was das Ganze kostet, so Baumeister. Denn es muss auch ein Betreiber gefunden werden, der für das Depot zuständig ist. Die Herausforderung: Besonders profitabel ist es vermutlich nicht, ein City-Hub zu unterhalten. Zu hoch sind die Kosten im Vergleich zu dem, was Paketdienstleister für die Nutzung zahlen können oder wollen. Baumeister will „auf ein Modell kommen, dass tragfähig wird durch sich oder öffentliche Unterstützung.“ Das heißt: Im Zweifel sollen die Kommunen den neuen Lieferweg bezuschussen oder gar für ein öffentliches Betreibermodell bereitstehen. Baumeister sieht Anreize, warum die Städte dafür Geld ausgeben sollten. Es gehe etwa um eine Verbesserung des Umweltschutzes, sagt er.

Baumeister ist zuversichtlich, Lösungen zu finden. „Es ist eine recht große Sympathie für das Projekt erkennbar“, sagt der IHK-Mann. Viele relevante Akteure würden bei ihm anrufen und ihr Interesse bekunden – seien es mögliche Vermieter eines Depots oder Betreiber des Standorts. „Wir haben schon für fast alle Felder mehrere Interessenten“, versichert Baumeister.

Wann das City-Hub in Krefelds Innenstadt tatsächlich seinen Betrieb aufnimmt, ist allerdings noch offen. Die Industrie- und Handelskammer will alles so vorbereiten, dass es mit ihrem Konzept ab dem 31. Mai kurzfristig möglich ist, das Vorhaben umzusetzen. In der Praxis könne es länger dauern, so Baumeister. Schließlich sei die Unterstützung von Stadt und Politik erforderlich. Zudem müssen sich die Lieferunternehmen tatsächlich entscheiden, am Projekt teilzunehmen und ihr etabliertes Bring-System ruhen zu lassen.

Sollte der erste Standort zum Erfolg werden, kann sich Baumeister mehr vorstellen. Er spricht von einem Netz aus Depots, das weitere Bereiche der Stadt abdecken soll. Auch die Verwaltung der Stadt Krefeld kann sich offenbar deutlich mehr als das erste Probe-Depot vorstellen. „Neben der Innenstadt sind solche Hubs perspektivisch zusätzlich auch in den Nebenzentren angedacht“, teilt die Stadt auf Anfrage der WZ mit.