Lokalsender Alle Kraft geht in den Morgen

Krefeld · Der Marketingclub Krefeld bot mit Welle Niederrhein eine „Zeitreise durch die Radiogeschichte.“

Der Marketingclub Krefeld hatte gemeinsam mit Welle Niederrhein zu einem Informationsabend ins Medienhaus an der Rheinstraße eingeladen.

Foto: Andreas Bischof

Am 29. Oktober 1923 war es eine Art Revolution, als aus dem Berliner Vox-Haus im Tiergarten erstmals eine Radiosendung in die deutschen Wohnzimmer gefunkt wurde. Information, Unterhaltung und Musik in einem Medium. Das hatte es vorher nicht gegeben. Doch wo steht das Radio heute, in Zeiten des Internets und seiner Verästelungen, das die gesamte Medienbranche aufwirbelt und zu neuen Lösungen zwingt wie nie zuvor. „Auf Zeitreise durch die Radiogeschichte“, so hieß ein Informationsabend des Marketings-Clubs Krefeld, der am Donnerstag ins Medienhaus an der Rheinstraße geladen hatte. 85 Gäste waren der Bitte gefolgt und lauschten dem Vortrag von Kay Fremdling, Prokurist bei der Pressefunk GmbH und der Betriebsgesellschaften der Lokalradios sowie Sven Ludwig, seit drei Jahren Chefredakteur der Welle Niederrhein.

Vom Röhrengerät bis
ins digitale Zeitalter

Von den Anfängen der Röhrenradios hin zu Transistoren bis zu den Smartphones der Gegenwart. Die Technik hat sich gewandelt – und so auch die Geschwindigkeit. „Früher war das Radio das schnellste Medium. Das hat sich aber mittlerweile geändert“, sagte Ludwig etwas wehmütig. Die Aufgaben aber sind weiterhin vielfältig und anspruchsvoll. Journalismus bleibt Journalismus. „Wir müssen planen, planen, planen“, so der Chefredakteur. Denn die Themen will auch der privatfinanzierte Lokalfunk, den es in Deutschland seit 1984 gibt, am liebsten selbst setzen. Alles müsse stimmig sein: „Nichts lässt sich versenden. Alles wird draußen irgendwie gehört.“

Fremdling spielte den bekannten Jingle ein: „Radio geht ins Ohr, bleibt im Kopf“ und sekundierte über den Umfang der Arbeit und Technik: „Es ist ein kostenintensives Produkt. Es ist nicht damit getan, einfach Platten aufzulegen.“

Heute arbeiten bei der Welle Niederrhein vier Redakteure, zwei Volontäre sowie bis zu acht freie Journalisten. Der Sender hat eine Reichweite für insgesamt neun Kommunen in Krefeld und dem Kreis Viersen. Vor allem am Vormittag, in der „Primetime“ von 6 bis 10 Uhr, müsse alles passen, so der eigene Anspruch. Wie bei einer Tageszeitung sei dies die Titelseite. „Es heißt bei uns: Alle Kraft in den Morgen“, sagt Sven Ludwig.

Radio, das sei für die Menschen immer noch das Begleitmedium Nummer eins, auch wieder am Nachmittag, auf dem Weg nach Hause. Für die lokalen Sender gehe es darum, auf das zu fokussieren, was vor Ort bewegt. „Kein Gemischtwarenladen, sondern relevante Themen“ stünden im Vordergrund, attraktiv aufbereitet. Wie auch bei der Tageszeitung sind beim Radio nach wie vor Meinung und Haltung gefragt. Die Einordnung in den Gesamtkontext darf nicht fehlen. Der Moderator soll eine Person für den Hörer sein, der man vertraut. „Die Moderatoren sind die Aushängeschilder“, so Ludwig.

Die Musik sei der Einschaltgrund Nummer eins. „Da darf man sich als Journalist nichts vormachen“, sagt Ludwig. Diese kommt aus der Musikredaktion für Radio NRW in Oberhausen. Sie erstellt die Abspiellisten für alle 45 Lokalfunksender in NRW. Die durchschnittliche Hördauer am Morgen betrage 50 Minuten.

Auf den Hörer zugeschnittene Formate wären möglich

Doch wie sieht die Zukunft des Massenmediums Radio aus? Fremdling und Ludwig stellten Möglichkeiten vor, die für den Welle-Chefredakteur einem „Blick in die Glaskugel“ glichen. Wird es bald viele kleine Programme geben, die viele zersplitterte Zielgruppen erreichen? Hybride also, aus einem linearen Angebot und individuellen Wünschen kombinierte Form. Oder mehr noch:

Der einzelne Hörer hört bald sein auf ihn zugeschnittenes Format. Also Nachrichten, die bei Bedarf auf den Anfang zurückgesetzt werden können. Berichte, die auf die Interessen des Einzelnen zugeschnitten erscheinen – zum Beispiel aus Kunst und Sport. Das weite den Blick auf die Themen und deren Auswahl.

Um jüngere Hörer zu gewinnen, brauche man auch neue Verbreitungswege. Dazu benötige man mehr Spezialisten als jetzt für hochwertige Inhalte. Als Rivale im Bereich Musik zählen die Streamingdienste wie Spotify und Co. Kooperationen in der Medienbranche seien sinnvoll. Ludwig sagt über die Aufgaben der Zukunft: „Ich sehe Zeitungen nicht als Konkurrenten. Wir müssten in der Sache eigentlich zusammenarbeiten.“