Methadon: Weg von der Nadel

Seit 25 Jahren gibt es die Ersatzdroge in NRW. Die erste Krefelderin wurde 1991 versorgt.

Krefeld. Patientin Nummer 1 ist verschwunden. Wie es ihr heute geht, vermag Ute Kaber daher nicht zu sagen: „Ich habe sie vor vier oder fünf Jahren aus den Augen verloren.“ Ute Kaber ist Sachbereichsleiterin der Alkohol- und Drogenhilfe des Caritasverbands Krefeld. Und Patientin Nummer 1 war die erste Heroinabhängige, die in Krefeld mit Methadon versorgt wurde. „Damals war sie um die 30 Jahre alt, mittlerweile müsste sie also über 50 sein.“

In der Zeit, in der Kaber Kontakt zu dieser Patientin hatte, sei ihr Zustand stabil gewesen: „Bei ihr hat das mit dem Methadon gut funktioniert, sie war sozial integriert, hatte Wohnung und Arbeit.“

Genau das, betont Kaber, sei auch die Zielsetzung bei der Behandlung mit Methadon oder anderen Substituten: „Die Menschen verelenden nicht mehr so sehr. Sie können viel selbstbestimmter leben, auch wenn die Behandlung sich meist über viele Jahre erstreckt.“

In der Zeit vor der Methadonbehandlung von Heroinabhängigen hingegen hätten diese eigentlich nur zwei Möglichkeiten gehabt: „Entzug oder Weitermachen.“ Beides sei zumindest für Schwerstabhängige mit Risiken verbunden: Beim Entzug könnten die Begleiterscheinungen durchaus lebensbedrohliche Ausmaße annehmen und „Weitermachen“ gehe häufig mit Infektionskrankheiten und Beschaffungskriminalität einher.

Trotzdem habe es damals sowohl in der Bevölkerung als auch in der Politik viele Vorurteile gegenüber der Substitution gegeben, erinnert sich Kaber: „Damals sprach man von den beteiligten Ärzten als ’Dealer in Weiß’.“

Als solcher sieht sich Dr. Peter Arbter, der von Anfang an dabei war, ausdrücklich nicht: „Ich bin nicht der Ersatz für den Dealer.“ Genau genommen gelte er in der Szene sogar als „sehr streng“. Deshalb habe er auch nur gut 25 Substitutionspatienten, obwohl er eigentlich bis zu 50 versorgen dürfte.

Er erklärt, welche Bedingungen er stellt: „Die Heroinabhängigkeit muss seit mindestens zwei Jahren bestehen.“ Ansonsten gebe es die Gefahr, dass sich erst durch die Substitution das Suchtverhalten verfestige. „Außerdem müssen meine Patienten vollkommen beigebrauchsfrei sein.“ Das beziehe sich nicht nur auf sämtliche illegalen Drogen, sondern auch auf Alkohol: „Schon wegen der Wechselwirkungen.“

Ob seine Patienten sich an diese Vorgabe halten, kann Arbter recht effizient kontrollieren. Sie müssen nämlich täglich in seiner Praxis erscheinen, um die Ersatzdroge unter Aufsicht zu sich zu nehmen — auch samstags und sonntags.

Nur wenn er einen Patienten als stabil betrachte, erhalte der mehrere Tagesdosen zur selbstbestimmten Einnahme: „Das ist eine Take-Home-Vergabe — eine Belohnung für Zuverlässigkeit.“

Diese sorgfältige Kontrolle des Konsums diene vor allem dazu, zu verhindern, dass die Patienten das von der Krankenkasse bezahlte Substitut verkaufen, um sich dafür beim Dealer Heroin zu kaufen. Denn auch wenn die Substitution Krankheiten verhindern und Kriminalität verringern könne, den Weg in die vollkommene Abstinenz würden nur die wenigsten schaffen: „Die Sucht besteht weiter.“

Dr. Robin Ghosh, Inhaber der Roland-Apotheke, stellt Methadon und andere Substitute für etwa 150 Patienten her, auch für die von Dr. Arbter.

Er erklärt die unterschiedliche Art und Weise mit der Heroin und Methadon die Sucht befriedigen: „Bei Heroin flutet der Rausch sehr schnell, ist aber auch schnell wieder weg. Bei Methadon schwillt der Rausch langsam an, hält dafür aber länger. Deshalb braucht man drei oder vier Mal am Tag Heroin, aber nur einmal am Tag Methadon.“

Und das sei auch der Grund, warum aus Methadonpatienten wieder Heroinabhängige werden können: „Der Suchtdruck ist zwar weg, aber das Hochgefühl ist auch weg.“