Monika Lattwein schließt ihr Geschäft
Die 66-Jährige wird von der Mode nicht ganz lassen. Sie will stundenweise bei ihrer Nachfolgerin an der Marktstraße 54 arbeiten.
Mitte. Die erste Kundin hat schon geweint und Monika Lattwein damit angerührt. Richtig schwer war für die Inhaberin des gleichnamigen Damenbekleidungsgeschäfts an der Markstraße 54 in diesen Tagen auch der Gang zur Post — mit 260 Briefen in der Tasche. Mit ihnen informiert die 66-Jährige ihre Stammkundinnen über den Räumungsverkauf, der jetzt startet. Denn Monika Lattwein hört auf. Ende des Jahres ist Schluss.
„In der Postfiliale hatte ich ein ganz komisches Gefühl. Das wird bestimmt alles traurig“, sagt die Händlerin, die mit vielen Anrufen rechnet, wenn die Briefe zugestellt sind. „Ich mache mich auf einiges gefasst.“ Denn in den vergangenen 35 Jahren habe sie „wahnsinnig nette liebe Kunden kennengelernt“, sagt sie und erzählt von den Menschen, die auch einfach mal für einen Kaffee zu ihr gekommen seien. „Die wissen, dass sie immer auch für ein Schwätzchen reinkommen können und gucken einfach vorher durchs Fenster, ob gerade Kundschaft da ist und ich Zeit für sie hätte.“
Das Zwischenmenschliche nennt Monika Lattwein als Hauptgrund, warum sie die Entscheidung, sich selbstständig zu machen, nie bereut habe. Am 1. Oktober 1982 hatte die gelernte Einzelhandelskauffrau und Krankenschwester den Mietvertrag für das Ladenlokal unterschrieben und am 20. Oktober eröffnet. Zuvor hatte sie 15 Jahre in einem Seniorenheim gearbeitet, war zuständig für eine Station alkoholkranker Menschen. „Irgendwann war ich damals an einem Punkt, an dem ich dachte, ich muss aufhören, bevor ich den Beruf nicht mehr mit der Freundlichkeit so ausfülle wie ich es sollte.“
Und es ergab sich, dass die Besitzerin eines „Modegeschäfts für die ältere Generation“ im gleichen Haus wie heute, aber im rechten Flügel — heute ein Nagelstudio —, aufhörte. Monika Lattweins damaliger Lebensgefährte half ihr, den beruflichen Neustart finanziell zu stemmen. Die damals 31-Jährige konnte die Stammkundschaft der Vorgängerin übernehmen „und das Geschäft etwas modischer weiterführen“, wie sie es ausdrückt.
Das heißt: „Es gab nicht mehr nur alles in Grau, Braun, Schwarz wie früher üblich.“ Mehr Farbe, mehr Muster war ihr Programm, das sich in den 35 Jahren — so wie der Geschmack ihrer Kundinnen — weiterentwickelte. „Damals habe ich noch Jersey-Hosen verkauft, heute möchten auch meine Kundinnen Jeans.“ Und sie wollten „schicke T-Shirts, farbige Blazer, Mode in knalligen Farben“.
Das, was Monika Lattwein jetzt noch an Mode in Größe 38 bis 52 im Laden und im Lager hat, verkauft sie ab sofort um die Hälfte reduziert. Bis Ende Dezember kann sie auch noch Ware auf Kommission von ihren Lieferanten bekommen. So lange wird ihr Mann Reinhard Zoch auch weiterhin den Fahrdienst für Kundinnen bieten, die nicht mehr mobil sind. Bis nach Kempen fährt er seit fünf Jahren, um sie abzuholen und wieder nach Hause zu bringen. So wie Monika Lattwein auch schon seit einiger Zeit, wenn jemand sehr krank ist, mit einer Kollektion zu diesen Frauen nach Hause kommt, die Kleidung, wenn nötig, absteckt und von der Schneiderin ändern lässt, mit der sie eng zusammenarbeitet.
Komplett aufhören zu arbeiten will die 66-Jährige auf keinen Fall. „Ich kann nicht von hundert auf null runterfahren.“ Für ihre Nachfolgerin im Ladenlokal will sie noch dreimal in der Woche halbe Tage arbeiten. Denn Mode will auch Katja Rössel, die bereits ein Damenmodengeschäft in Korschenbroich besitzt, anbieten. Die beiden Frauen kennen sich von Messen. Als Rössel vom geplanten Ruhestand Monika Lattweins erfuhr, nahm sie Kontakt auf. Nach einer Renovierung des 150 Meter von der Hochstraße entfernt liegenden Ladenlokals soll es bei ihr auf einer „jüngeren Schiene“ Damenmode in den Größen 40 bis 56 geben.