Musik mit pädagogischem Auftrag
Delian-Quartett gastiert im Rittersaal der Burg Linn.
Der Blick auf das Programm der 6. Serenade der Saison zeigt: Die Musiker des Delian-Quartetts sind für Systematik, Spiegelsymmetrie und viel Ordnung zu haben. Die Vier — Adrian Pinzaru (Violine), Andreas Moscho (Violine), Georgy Kovalev (Viola) und Miriam Prandi (Violoncello) — sorgen für einen ausverkauften Rittersaal der Burg Linn. Da rahmt jeweils ein Streichquartett von Haydn den großen Block „Kunst der Fuge“ von Bach und schaut man auf die Opuszahlen von Haydn, der auch als „Vater des Streichquartetts“ bezeichnet wird, so beginnen die Instrumentalisten logischerweise mit Haydns Streichquartett in B-Dur op.1 Nr. 1 Hob. III:1 - also dem ersten Werk dieser Serie. Das Presto hält der Komponist kurz und bündig, doch viel Raum für viel Presto gibt er den Musikern dabei nicht.
Der zweite Satz Minuet wird verhalten tänzerisch interpretiert, doch das Spiel der Vier könnte man bei aller Homogenität auch als „klassisch keimfrei“ bezeichnen. Im mittleren Satz, einem Adagio, kommt endlich ein Hauch von Seele in die Interpretation, wobei Pinzaru die Gelegenheit nutzt und gleichzeitig aus dem Streichquartett ein verkapptes kleines Violinkonzert macht.
Es folgen in diesem Werk wieder ein Minuet und abschließend ein Presto. Dieses ist zum Glück kein Spiegelbild des ersten Prestos, denn das Spiel ist entschieden lebendiger geworden — man hat sich warm gespielt. Es folgt das Hauptgericht des Konzerts. Und sogleich soll es deutlich werden, dass sich das Delian-Quartett einem musikpädagogischen Auftrag verpflichtet fühlt. Der zweite Geiger scheint bestens vorbereitet in seinem Element zu sein und erklärt, gefühlt alles, gibt Tipps zum Hören und Verstehen, lässt einzelne Themen anspielen und lässt im Laufe der praktischen Präsentation von Johann Sebastian Bachs „Die Kunst der Fuge“ (BWV 1080) kaum einen Aspekt unberührt.
Das Ensemble liefert bilderbuchmäßig klar die Beweise für die Intentionen Bachs und seine minuziös konstruierten Klanggebäude. Die Strukturen werden deutlich präsentiert, die Feinheiten der Variationen kommen klar herüber. Wenn man nicht gerade ein Liebhaber einer nüchtern präsentierten „Mathematik in Tönen“ ist, wird es ermüdend, jede Fuge so ausführlich anmoderiert und präsentiert zu bekommen.
Auch die witzigen Bemerkungen erscheinen schon mal als „Zeit-Fresser“. Das sollte sich auch gleich nach der Pause in einer noch größeren Serie fortsetzen, aber das Ensemble verlässt erst einmal seine Reihenfolge im Programm und beginnt mit Haydns Streichquartett in d-Moll op. 103 Hob.III: 83 — dem allerletzten Werk des Meisters. Teil zwei des Fugen-Marathons nimmt seinen Lauf. Es ist das gleiche Vorgehen, das bei der Gründlichkeit zur Geduldsprobe wird, denn man ahnt schon: Es wird ein Konzert beziehungsweise eine Vorlesung der Musikwissenschaft mit Überlänge. Gegen 22.30 Uhr ist das Lernpensum in Sachen Fuge absolviert und das Ensemble wird mit einem langen Applaus verabschiedet.
O-Ton eines Besuchers: „Das ist apart und interessant, Haydn und Bach gegeneinanderzustellen. Ich habe den Eindruck, die Musiker bevorzugen den Bach und bieten den Haydn als Ausgleich beziehungsweise zur Versöhnung“, sagt Hans Jürgen Herzog. „Das Ganze artet ein bisschen in Schulfunk aus, man mutet dem Publikum einiges zu, auch mit der gekünstelt lockeren Moderation.“
krefeld.de/kulturbuero