Wirtschaft Neuer IHK-Präsident: „Die Region ist gut aufgestellt“
Die Digitalisierung voranzutreiben und mehr Nähe zu den Mitgliedern aufzubauen, nennt der Krefelder Elmar te Neues als Ziele im WZ-Gespräch.
Krefeld. Rund 76 000 Unternehmen gehören der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein an. Eines davon ist das J. Finck & Co. Papier- und Folienwerk im Inrath. Dessen Geschäftsführer Elmar te Neues ist allerdings mehr. Ganz frisch gewählt ist der Krefelder jetzt auch Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) und spricht im ersten Interview nach seinem Amtsantritt mit der WZ über Herausforderungen der Zukunft und Akzente, die er setzen will.
Herr te Neues, worin sehen Sie persönlich Ihre Hauptaufgaben als neuer Präsident?
Elmar te Neues: Zunächst ist es meine Aufgabe, die IHK zu vertreten. Außerdem will ich die Region voranbringen und gute Bedingungen für die Wirtschaft schaffen, damit sich neue Unternehmen ansiedeln und vorhandene weiter stark bleiben. Im Bezirk der IHK ist genug Potenzial vorhanden, das man weiterentwickeln kann. Krefeld beispielsweise hat Potenzial durch den Hafen, die chemische Industrie, die Metallerzeugung und Logistik. Die Entwicklung des interkommunalen Gewerbegebiets Krefeld/Meerbusch zum Beispiel ist ein sehr bedeutendes Projekt, um weitere Gewerbetreibende an den Standort zu locken. Solche Projekte voranzubringen, gehört zu den Aufgaben einer IHK.
Wo sehen Sie denn Probleme, die von der IHK angepackt werden müssen?
te Neues: Die konjunkturelle Situation ist derzeit gut. Aber wir müssen auf die Zeit vorbereitet sein, in der es nicht mehr so sein sollte. Der Fachkräftemangel ist dabei ein Thema. Es gibt derzeit einen zunehmenden Trend zur Akademisierung. Dabei ist die Berufsausbildung im dualen System enorm wichtig. Es ist von großer Bedeutung, dass die Unternehmen ihren Nachwuchs selbst ausbilden und ihre Mitarbeiter weiterqualifizieren. Mit dem Prüfungs- und Weiterbildungszentrum in Krefeld haben wir für unsere Mitgliedsunternehmen dafür gute Voraussetzungen geschaffen.
Bei Ihrer Antrittsrede hatten Sie die Digitalisierung als eines Ihrer wichtigsten Ziele genannt. Können Sie das konkretisieren?
te Neues: Wir müssen den Anschluss halten beziehungsweise schaffen. Die IHK hat dafür eine Vielzahl von Dienstleistungen im Angebot, um den Unternehmen dabei zu helfen, die Herausforderungen durch die Digitalisierung zu meistern. Dafür ist natürlich ein Breitband-Internetzugang wichtig. Der digitale Wandel in der Industrie — Stichwort Industrie 4.0 — wird noch viel leistungsfähigere Netzanbindungen notwendig machen.
Haben denn nicht längst alle Gewerbegebiete einen schnellen Internetzugang?
te Neues: Der Krefelder Hafen beispielsweise ist noch nicht gut angebunden. Insgesamt ist der Weg zur Industrie 4.0 noch weit. Aber die Autobahn muss schon asphaltiert sein, um zu fahren. Noch haben manche Unternehmen die Bedeutung des digitalen Wandels nicht realisiert. Beim Breitband gilt: Der Zug rollt schon, und je mehr aufspringen, desto schneller wird er. Um das zu verstehen, muss doch jeder nur überlegen, was man privat vor zehn Jahren im Internet gemacht hat und was heute. Und in Unternehmen läuft der Austausch mit Kunden heute eben über Internet-Plattformen.
Was möchten Sie anders machen als Ihr Vorgänger?
te Neues: Heinz Schmidt hat eine erfolgreiche und tolle Arbeit gemacht, er war zum Beispiel sehr engagiert beim Thema Ausbildung. Die liegt auch mir sehr am Herzen. Es ist gut, dass die Industrie- und Handelskammern die Ausbildung organisieren. Würde der Staat dies tun, dann würde es teuer, über die Steuern umgelegt und wäre nicht ausreichend an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiert. Und das Angebot „IHK vor Ort“ soll weiter ausgebaut werden. Dabei geht eine Mitarbeiterin auf die Firmen zu und informiert über die IHK-Dienstleistungen. Sie besucht etwa 150 Unternehmen im Jahr. Das Angebot werden wir durch eine weitere Kraft personell ausbauen, damit wir da ankommen und helfen können, wo es nötig ist. Ob nun zum Beispiel bei Fragen zu Ausbildung, Fachkräfteberatung, Zollabfertigung, der Gestaltung von Web-Seiten oder bei Fragen zu Flächennutzungsplänen. Das Leben wird ja nicht einfacher, es wird ja eher noch komplizierter.
Das IHK-Gebiet Mittlerer Niederrhein ist schwierig — mit zwei Städten und zwei Kreisen, die ursprünglich sehr unterschiedlich sind und sich auch wirtschaftlich zunehmend unterschiedlich entwickeln.
te Neues: Ich glaube, diese dezentrale Wirtschaftsstruktur ist sogar unsere Stärke. Der Strukturwandel in der Textilindustrie hat uns vor Augen geführt, wohin eine zu einseitig ausgerichtete Wirtschaft führen kann. Heute ist die Region sehr gut aufgestellt. Der Niederrhein hat eine starke industrielle Basis, zum Beispiel die Chemische Industrie in Krefeld. Die Häfen Neuss und Krefeld sind wichtige Standortvorteile. Die logistische Anbindung ist bestens. Die Dienstleistungen und Produkte unserer Unternehmen sind weltweit gefragt. Aber es müssen auch weitere Unternehmen für die Region gewonnen werden. Dafür müssen Flächen zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig müssen die Bedingungen für die Betriebe vor Ort stimmen. Stichwort: Gewerbe- und Grundsteuer.
Es gibt aber auch immer wieder Kritik daran, dass zu sehr auf Logistik gesetzt würde, die im Verhältnis nicht so viele Arbeitsplätze schaffe. Was sagen Sie dazu?
te Neues: Logistik ist ein Teil der Wertschöpfungskette. Für Industrie und Handel brauchen wir die Logistik. Es wird sehr viel versandt und verschickt. Logistikunternehmen sorgen dafür, dass auch geringer qualifizierte Kräfte in Lohn und Brot kommen. Das sollte jeden Kämmerer freuen.
Sehen Sie die IHK für die zukünftigen Aufgaben gut aufgestellt?
te Neues: Wir sind sehr gut aufgestellt. Wir sind eine schlanke Kammer, gehen sehr sparsam mit den Mitteln um und sind - wie gesagt — vor Ort bei den Mitgliedern.
Was Sie für die Mitglieder tun können, haben Sie gesagt. Was können die Mitglieder für die Kammer tun?
te Neues: Ehrenamtliches Engagement in den Ausschüssen zum Beispiel. Es gibt fast 3000 Menschen, die sich in der IHK ehrenamtlich engagieren, allein 2000 davon kümmern sich um Ausbildung. Die IHK lebt vom Mitmachen. Bei uns funktioniert der Generationswechsel. Die Hälfte der Vollversammlungsmitglieder ist neu. Der Altersdurchschnitt ist gesunken, und es gibt viel mehr Frauen, die sich engagieren. Dafür möchte ich auch weiter werben: die IHK als Netzwerk zu verstehen, bei dem jeder mitmachen kann.
Wie sieht es mit den Klagen von Unternehmen aus, die keine „Zwangsmitgliedschaft“, wie deren Firmenchefs sie nennen, zahlen wollen und vor Gericht gehen?
te Neues: Diejenigen, die so denken, gilt es zu überzeugen. Da bin ich auch unterwegs, um sie wieder ins Boot zu holen. Schon als Vize im Präsidium habe ich mit daran gearbeitet, dass wir transparent sind und den Mitgliedern deutlich machen, was mit ihren Beiträgen passiert.