Herr Engelbrecht, wie oft gibt es bei Ihnen Organspenden von Verstorbenen?
Medizin „Organspende ist ein hohes Gut“
Krefeld · Interview In Deutschland warten tausende Menschen auf ein Organ. Der Arzt Kai Engelbrecht kümmert sich im Maria-Hilf um das emotionale Thema.
Jeden Tag sterben in Deutschland durchschnittlich drei Menschen, weil sie vergebens auf eine Organspende gewartet haben. So geht es aus der Statistik der Deutschen Stiftung Organtransplantation hervor. 10 000 Personen hoffen hierzulande auf entsprechende Hilfe. Aus den Krefelder Kliniken kommt immer mal wieder ein rettendes Organ, wenn auch sehr selten.
Im Jahr 2017 gab es von Verstorbenen in den Hospitälern der Stadt vier Spenden – eine davon im Maria-Hilf der Alexianer. Doktor Kai Engelbrecht ist Chefarzt in der Anästhesiologie und Intensivmedizin. Der Mann, der seit 17 Jahren in Krefeld tätig ist, kümmert sich als Transplantationsbeauftragter um das Thema in seinem Haus.
Kai Engelbrecht: Wir haben alle zwei Jahre eine Spende. Denn wir haben nur wenige Patienten, die ins Raster passen. Für eine Spende muss der Patient hirntot sein. Die Hirntodkriterien sind von der Bundesärztekammer festgelegt und eindeutig.
Aus anderen Kliniken kommen mehr Spenden.
Engelbrecht: Das liegt unter anderem daran, dass wir nur eine Intensivstation haben. Krankenhäuser mit mehr Intensivstationen wie Universitätskliniken oder Krankenhäuser mit Neurochirurgie haben in der Regel mehr Spender.
Warten bei Ihnen auch Menschen auf Organspenden?
Engelbrecht: Wir behandeln zwar Menschen, die ein Spenderorgan benötigen, doch Transplantationen finden in eigenen Zentren statt.
Welche Aufgabe haben Sie dann als Transplantationsbeauftragter?
Engelbrecht: Ich muss an den richtigen Stellen an das Thema erinnern. Bei Patienten, die in Frage kommen, suche ich das Gespräch mit den Kollegen und natürlich den Angehörigen. Ich begleite die Diskussion bis zu einer Entscheidung.
Müssen die Hinterbliebenen oft entscheiden, was mit den Organen passiert?
Engelbrecht: Häufig haben die Verstorbenen ihren Willen nicht dokumentiert. Für die Verwandten ist das dann eine schwere Abwägung, sie sind ohnehin in einer Trauerphase.
Welche Fragen und Ängste begegnen Ihnen?
Engelbrecht: Viele haben Sorge, dass der Verstorbene nach der Entnahme entstellt ist. Häufig höre ich Worte wie ausschlachten oder zerfleddern. Das passiert natürlich nicht. Die Operation wird wie bei einem Lebenden durchgeführt. Eine Organspende ist ein ethisch hohes Gut, dabei findet ein respektvoller Umgang mit dem Körper des Spenders statt.
Was passiert mit den gespendeten Organen?
Engelbrecht: Die Stiftung Eurotransplant übernimmt die Verteilung der Spenden in acht europäische Länder. Das hat nichts mit Handel zu tun, sondern findet nach hohen ethischen und medizinischen Standards statt.
Dennoch bleibt es für Angehörige schwierig, über eine mögliche Spende zu entscheiden.
Engelbrecht: Ich finde, jeder Mensch hat die Pflicht, sich frühzeitig zu entscheiden. Damit entlastet man auch die Hinterbliebenen.
Sollte die Spende also gesetzlich Pflicht werden?
Engelbrecht: Nein, eine Pflicht zu einer Spende kann es nicht geben. Ich wünsche mir, dass die Organspende in der Gesellschaft mehr thematisiert wird, auch in den Familien. Klar, spricht man lieber über den nächsten Urlaub, aber es muss sein. Nach einer intensiven Abwägung sollte jeder entscheiden.
Enttäuscht es Sie, wenn Menschen nicht spenden möchten?
Engelbrecht: Wenn das jemand nicht möchte, bedarf es keiner Rechtfertigung. Das ist ein sehr persönliches und emotionales Thema. Wichtiger ist mir, dass sich jeder Gedanken macht. Wenn jemand im Spenderausweis ankreuzt, dass er keine Organe geben möchte, ist auch schon geholfen. Dann haben wir Klarheit bezüglich seines Willens und werden diesen Wunsch respektieren.
Sind Sie selber bereit, Organe zu spenden?
Engelbrecht: Ich habe das zu Hause angesprochen und bin bereit, nach der Feststellung meines Hirntodes alle in Frage kommenden Organe zu spenden. Schließlich kann man damit sogar mehreren Menschen helfen.