Pauschalen für die Psyche: Neues Abrechnungssystem lähmt
Durch die Reform der Krankenhausfinanzierung erhöht sich der Verwaltungsaufwand zu Lasten der Therapie.
Krefeld. Für eine komplikationsfreie Blinddarmbehandlung erhalten Krankenhäuser in NRW eine Fallpauschale in Höhe von 2390 Euro. Doch nach welcher Leistungsvorgabe soll die Behandlung eines selbstmordgefährdeten oder eines schizophrenen Menschens abgerechnet werden? Nach der Behandlungsdauer, der Schwere der Erkrankung, dem Verlauf oder nach dem Erfolg?
Knapp sechs Jahre nachdem die Entgelte für die Behandlung somatischer Erkrankungen in stationären Einrichtungen auf das sogenannte DRG-System (Diagnosis Related Groups) umgestellt wurden, soll nun auch die Vergütung psychiatrischer, psychosomatischer und psychotherapeutischer Leistungen reformiert werden. Diese Entwicklung beobachtet der Chefarzt der psychiatrisch und psychotherapeutischen Kliniken am Alexianer Krankenhaus, Dr. Andreas Horn, mit Sorge. "Psychiatrische Erkrankungen sind etwas sehr individuelles und nicht wie eine Blinddarmbehandlung zu pauschalisieren."
Bisher rechnen psychiatrische Einrichtungen wie das Alexianer vorwiegend nach der Bundespflegesatzverordnung ab. Das neue Krankenhausfinanzierungsreformgesetz sieht vor, dass diese bis 2013 durch ein leistungsorientiertes, pauschaliertes Entgeltsystem ersetzt wird. Als Vorbild diene dabei das DRG-System. Aufgrund der wesentlichen Unterschiede zwischen der Behandlung von somatischen und psychischen Erkrankungen soll der neue Katalog jedoch keine Fallpauschalen enthalten, sondern auf Tagespauschalen basieren. Dazu sind zusätzlich Operations- und Prozedurenschlüssel (OPS) erarbeitet worden.
"Der Vorteil dieses bundeseinheitlichen Systems ist es, dass die erbrachten Leistungen nun hoffentlich künftig auch überall gleich bezahlt werden", sagt Horn. Doch dieser Vorteil kommt nicht zum Tragen, wenn andererseits jeder Kontakt zum Patienten entsprechend der OPS dokumentiert werden müsse. Deshalb fürchtet nicht nur Horn, sondern auch sein Kollege Dr. Helmut Eich von der Klinik für Abhängigkeitserkrankungen, dass der Verwaltungaufwand um etwa 40 Prozent zunehmen werde. "Das ist Zeit, die für die Arbeit mit den Patienten fehlt."
Nach einer Gruppensitzung (Dauer 25 Minuten) mit neun Patienten bräuchten die Ärzte rund zehn Minuten, um für jeden einzelnen anschließend die entsprechenden Behandlungscodes ins System einzugeben. Erschwerend komme hinzu, dass die Vergütung der Gruppenarbeit (beispielsweise in der Rehabilitation) doppelt so hoch eingestuft werde, wie die Einzeltherapie. Die sei aber bei schweren Krankheitsbildern notwendig und zielführender als die Gruppenarbeit.
Horn: "Es wäre fatal, wenn sie aufgrund der geringeren Bezahlung weniger eingesetzt würde als notwendig." Auch seien ambulante Versorgungsstrukturen bisher nicht im OPS berücksichtigt.Für diesen Herbst ist eine überarbeitete Fassung der Codierschlüssel angekündigt. In zwei Jahren soll allen Kliniken eine Testversion des neuen Entgeltkatalogs zur Verfügung gestellt werden. 2013 soll dann die Budgetneutrale Umstellung erfolgen. Doch eins ist schon jetzt klar, trotz des dokumentarischen Mehraufwands werde es nicht mehr Personal geben.