Familie Pflege an der Grenze der Belastbarkeit

Der schwerstbehinderte Erhard Fitz wird von seiner Frau in den eigenen vier Wänden betreut.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Es gibt diese Schicksalsgeschichten, die einen besonders bewegen. Das, was die Eheleute Fitz zur Zeit durchmachen müssen, ist so ein Fall. Carmen Fitz’ Ausführungen machen vor allem eines klar: Es braucht nicht viel, um das Leben komplett auf den Kopf zu stellen.

„Ende September sind wir aus dem Urlaub gekommen. Da ging es meinem Mann Erhard bereits schlecht“, erzählt sie. Im Krankenhaus ging man von einer Grippe aus, doch es war weit schlimmer — doppelseitige Lungenentzündung mit Pilzbelag. „Sieben Wochen lag er im künstlichen Koma. Die Ärzte haben mir mehrmals geraten, ich solle die lebenserhaltenden Geräte abschalten.“ Doch für Carmen Fitz kam das nicht in Frage. Sie kämpfte um ihren Mann, und er schaffte es, blieb am Leben.

Seit Oktober 2015 kann Erhard Fitz nun nicht mehr laufen, nicht mehr auf Toilette gehen, nicht mehr aufstehen — schlichtweg sich alleine nicht mehr versorgen.

Pflegestufe drei hat man ihm zugewiesen. Diese Stufe wird auf Basis eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes vergeben. „Die Gutachter besuchen die Menschen zuhause und schauen sich vor Ort die Situation an“, erklärt Michaela Gehms, Pressesprecherin des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. „Da gibt es bestimmte Kriterien und Richtlinien. Das Beurteilungsverfahren ist überall gleich“, erläutert Gehms. Was zum Beispiel ermittelt wird: wie lange jemand zum Aufstehen oder Waschen braucht.

Zwei Drittel der Pflegebedürftigen leben im häuslichen Umfeld Ihren Mann zuhause zu pflegen, ist für Carmen Fitz ein Vollzeitjob und mit enormen Kosten verbunden. Tabletten, Verbandsmaterial, Katheter, Windeln, ein Spezialbett, Betteinlagen und vieles mehr — all das müssen die Eheleute selbst finanzieren. Die Krankenkasse zahlt lediglich das Pflegepersonal, das dreimal am Tag vorbeikommt. Zusätzlich macht zweimal die Woche ein Therapeut Hausbesuche und versucht Erhard Fitz das Laufen wieder beizubringen. Es ist ungewiss, ob er jemals wieder laufen kann, aber die Hoffnung besteht. „Der Therapeut ist wirklich klasse“, sagt Carmen Fitz.

Je nach Pflegestufe steht den Angehörigen ein gewisser Betrag an Sachleistungen zur Auswahl. „Das ist ein ganzes Potpourri an Leistungen, die individuell auf die zu pflegende Person angepasst werden“, so Grehms. In gewissen Fällen kann die Pflege auch vollständig von Angehörigen übernommen werden. Dann steht ihnen ein gewisser Betrag an Pflegegeld zu. Im Fall von Carmen Fitz übernimmt sie einen Großteil der Pflege selbst und wird zusätzlich noch von einem professionellen und medizinisch geschultem Pflegeteam unterstützt. „Alle Experten gehen davon aus, dass zwei Drittel der Menschen ihre Angehörigen im häuslichen Umfeld pflegen“, berichtet Gehms.

Alle paar Wochen gibt es einen Notfall, dann muss Erhard Fitz ins Krankenhaus. Was bei anderen Menschen eine normale Krankenwagenfahrt wäre, gestaltet sich bei Fitz komplizierter. Er ist groß, schwer und kann nicht laufen. Die Wohnung liegt im dritten Stock. Das Treppenhaus ist schmal, die Kurven eng. „Mehrere Männer sind nötig, um meinen Mann die Treppe herunter zu tragen“, sagt Carmen Fitz. In Notfällen hat bisher die Feuerwehr ausgeholfen.

Die Situation hat sich in den vergangenen Wochen zusätzlich verschärft, weil Carmen Fitz ihr Arbeitslosengeld vorzeitig gestrichen bekommen hat. Die Begründung, die man ihr beim Arbeitsamt gegeben hat: „Ich wäre verpflichtet, 15 Stunden im Monat zu arbeiten, und könne meinen Mann nicht vorschieben.“ Dabei ist Carmen Fitz rund um die Uhr durch die Behinderung ihres Mannes eingebunden und leidet selbst an einem Grünen Star auf dem linken Auge, auf dem sie praktisch blind ist. „Eine Amtsärztin hat mir bestätigt, dass ich gar nicht vermittelbar wäre.“