Prozessbeginn: Krefelder Bombenleger in Karlsruhe vor Gericht
Krefeld/Dortmund/Karlsruhe. Er sieht aus, als könnte er kein Wässerchen trüben: höflich, brav, unscheinbar. Doch der 26-jährige Mann, den die Polizei im März festgenommen hatte, soll Anfang des Jahres drei Sprengstoffbehälter in der Nähe des Dortmunder Fußballstadions platziert haben.
Im Rahmen der Festnahmen war auch die Wohnung seiner Eltern in Bockum vom BKA durchsucht worden. Dabei hatte man verschiedenes Zubehör zum Bombenbau entdeckt.Ein Jahr zuvor hielt er die Ermittler mit einer Reihe von Erpresserschreiben an die Drogeriemarktkette dm in Atem.
Am Donnerstag begann der Prozess gegen ihn vor dem Karlsruher Landgericht. Anklagepunkte sind versuchte räuberische Erpressung sowie Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz. Zu Beginn des auf neun Verhandlungstage angesetzten Prozesses hüllte sich der aus Malsch bei Karlsruhe stammende Mann in Schweigen. Sein Verteidiger Dirk Uden kündigte am Rande der Verhandlung jedoch an, dass sich sein Mandant zu gegebener Zeit äußern werde.
Er misst in diesem „sehr speziellen Fall“ dem psychologischen Gutachten über die Schuldfähigkeit seines Mandanten eine wichtige Rolle zu. Den bisherigen psychologischen Sachverständigen lehnt er wegen Befangenheit ab. Oberstaatsanwalt Rüdiger Rehring äußerte sich nur vage zu den Motiven des Mannes, der aus gutem Hause kommt. Der Angeklagte habe bei seinen Taten „aus einer eigenen Fantasiewelt“ heraus gehandelt, sagte er. Bis Mitte Januar werden 15 Zeugen und neun Sachverständige vor Gericht aussagen. Davon erhoffen sich die Beteiligten Erkenntnisse darüber, ob es dem Mann in erster Linie um Geld ging oder ob er Anerkennung suchte - oder ob eine psychische Störung vorliegt.
Die Anklage geht davon aus, dass der unscheinbar wirkende 26-Jährige im Januar 2010 den ersten Erpresserbrief an die in Karlsruhe ansässige Drogeriekette dm geschrieben hat. Darin forderte er 2,5 Millionen Euro innerhalb von sieben Werktagen, bei Verzögerungen verlangte er für jeden weiteren Tag zusätzlich 250 000 Euro. Für den Fall, dass seine Forderungen nicht erfüllt werden, drohte der Erpresser mit dem Einsatz von Giftgas und Sprengstoff in den Drogeriemarkt-Filialen. Weil dm auf Anraten der Polizei hart blieb, verfasste der Täter immer neue Drohbriefe. Darin änderte er die Modalitäten für die Geldübergabe, forderte neue Summen und stieß Drohungen aus wie „die Tötung von Hunderten dm-Kunden“. Im Juni 2010 kam der letzte Brief, danach war Ruhe. Offenbar habe der Täter nicht mehr an einen Erfolg geglaubt, sagte Rehring.
Wenige Monate später - im Februar und März 2011 - erreichten mehrere Mails die deutsche Botschaft in Pakistan. Darin wurden Insider-Informationen über geplante Bombenanschläge in Deutschland angeboten. Sie stammen nach Ansicht von Rehring ebenfalls vom Angeklagten, der zudem in dieser Zeit im Keller der elterlichen Wohnung in Krefeld mit etwa 100 verschiedenen Chemikalien experimentiert und dabei mindestens sechs Behälter mit explosiven Gemischen gefüllt haben soll. Drei dieser von ihm selbst als Bomben bezeichneten Sprengkörper stellte er in der Nähe des Signal-Iduna-Parks in Dortmund ab, drei weitere fanden die Ermittler nach seiner Festnahme am 29. März im Wohnzimmerregal der ahnungslosen Eltern versteckt. Sie waren alle nicht funktionsfähig.
Ins Netz ging der Mann den Ermittlern, als sich Botschaft und Bundeskriminalamt auf sein Angebot einließen. Bei einem Treffen nahmen sie den damals 25-Jährigen fest. Durch linguistische Vergleiche der Mails mit den Erpresserschreiben konnten die Ermittler den Zusammenhang der Taten in Karlsruhe und Dortmund herstellen. Dem 26-Jährigen droht eine Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren, in vergleichbaren Fällen wurden meist Strafen im Bereich von etwa sieben Jahren verhängt.