Kommentar Rheinblick - Chemiepark bremst Entwicklung in Uerdingen aus
Meinung | Krefeld · Die Verwirrung ist komplett: „Der Rheinblick ist zum Greifen nah“; „Chemiepark: Warum Rheinblick so nicht kommen kann“. Zwei Überschriften aus dieser Woche, die das ganze Dilemma des geplanten Bauvorhabens am Uerdinger Rheinufer aufzeigen.
Stadt und Politik sehen sich durch die inhaltliche und juristische Auseinandersetzung mit den Bedenken des Chemieparks dem Ziel der finalen Offenlegung des Bebauungsplanes nahe. Der soll Currenta als Betreiber Planungssicherheit bieten. Derweil beklagt der Chemiepark, dass das bisher Erarbeitete bei Weitem nicht ausreicht. Lautstarke Einwände werden als Bremse formuliert.
Es ist nicht zu verkennen, dass seit dem Jahr 2002 zunächst Bayer wie auch der spätere Chemiepark sich klar gegen ein neues Wohngebiet in unmittelbarer Nähe des Industriegebietes positioniert haben Bei jedem persönlichen Kontakt zur örtlichen Presse wird das Thema hervorgehoben. Vorrangiges Ziel ist es, den Betrieb der Anlagen und Schiffsanleger, den möglichen Ausbau der Industrieflächen nicht zu gefährden oder gar zu verhindern. Offen wird in dem Zusammenhang auf den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen hingewiesen. Und auch die Verantwortlichen von Verwaltung und Politik werden nicht müde, die Bedeutung des Industriestandortes hervorzuheben. In welcher Höhe die Stadt jedoch von der überlicherweise zu zahlenden Gewerbesteuer profitiert, ist nicht zu vernehmen.
Früher waren das Bayer-Werk und Uerdingen eng miteinander verbunden. Kaum ein Uerdinger, der nicht dort arbeitete. Die Mitarbeiter wohnten in unmittelbarer Nähe, Wohnen, Arbeiten und Leben im Schatten der Industrie-Schornsteine war selbstverständlich. Und dabei waren die umweltschutz- und verfahrensrechtlichen Bestimmungen zur Sicherheit und Gesundheit der arbeitenden Personen und der umliegenden Bevölkerung gar nicht oder nur in sehr geringem Maße gegeben.
Heutzutage ist der Schutz viel umfangreicher. Nicht zuletzt wegen des schweren Chemieunfalls 1976 im norditalienischen Seveso, wo große Mengen des hochgiftigen Stoffes Dioxin TCDD ausgetreten waren. Wegen dieses und weiterer Unfälle gibt es heute die strenge Seveso-III-Richtlinie. Die verlangt unter anderem einen angemessen Sicherheitsabstand zu Wohn- und Naturschutzgebieten. Diese Vorgaben sieht Chemiepark-Leiter Lars Friedrich bislang bei der Rheinblick-Planung nicht erfüllt.
Bei aller unbestrittenen Notwendigkeit solcher Sicherheitsvorkehrungen stellt sich nach dem Hinweis von Friedrich jedoch grundsätzlich die Frage, ob ein solches Chemie-Werk in der unmittelbaren Nähe von Wohnbebauung überhaupt noch statthaft und zeitgemäß ist. Wir erinnern uns: Im Jahr 2001 sind alle Uerdinger nur knapp einer Katastrophe entgangen, als durch ein Schiffsunglück am Bayer-Anleger eine Giftgaswolke nur dank einer günstigen Windrichtung nicht in bewohntes Gebiet gezogen war. Die „Stolt Rotterdam“ hatte 1800 Tonnen Salpetersäure an Bord. In Gefahr war damals Gesamt-Uerdingen – ganz gleich, wie alt oder neu, wie entfernt oder nah die Wohnbebauung war.