Gelenkwechsel Wie ein Roboter für Präzision beim Einsatz künstlicher Kniegelenke sorgt
Krefeld · Einmal selbst für die Implantation einer Kniegelenk-Prothese in einen Oberknochen fräsen: Das war bei der Vorstellung des neuen Roboter-assistierten Operationssystems im Ortho-Campus möglich - und vermittelte einen Eindruck was das Gerät alles kann.
Die Einladung, selbst einmal für die Implantation einer Kniegelenk-Prothese in einen Oberknochen zu fräsen, fällt bei der Vorstellung des neuen Roboter-assistierten Operationssystems im Ortho-Campus des Helios-Cäcilien-Hospitals Hüls nicht schwer anzunehmen. Auf einem Bildschirm vor dem Arbeitsplatz sehe ich genau auf dem virtuellen, dreidimensionalen Bild des Kniegelenks aus dem Computertomografen, wie das kleine Sägeblatt zu führen ist und der Roboterarm folgt dem exakt – Millimeter genau entlang der Bänder am Knie.
Während Chefarzt Prof. Dr. Clayton Kraft schon von Berufswegen über das nötige Können verfügt, bin ich als Laie perplex, wie sicher mich der Roboterarm bei der Arbeit führt – ebenso aber auch stoppt, wenn ich minimal vom definierten Operationsbereich abweiche und den Bändern zu nahe komme. „Es ersetzt nicht den Chirurgen, noch operiert es selbstständig. Doch es ist sehr charmant, wie präzise es einzusetzen ist, selbst bei erfahrenen Chirurgen“, sagt Clayton Kraft bei der Demonstration. Das unterstütze die Operateure dabei, den Eingriff mit größtmöglicher Genauigkeit durchzuführen. Nur um 0,5 Grad weiche es ab.
Von 500 Kliniken deutschlandweit setzen erst 20 die Technik ein
Corona-konform, mit Abstand, Belüftung und Mund-Nasen-Schutz, stellen die beiden Helios-Geschäftsführer Alexander Holubars und Tanja Langsenkamp sowie Clayton Kraft und Dr. Andreas Hachenberg, Ärztlicher Leiter des Ortho-Campus, das hochmoderne OP-System in einem Truck auf dem Krankenhaus-Parkplatz vor. Seit kurzem kommt es in den beiden OP-Sälen des Endoprothesen-Zentrums in der Hülser Klinik zum Einsatz.
„Der Ersatz des Kniegelenks ist ein orthopädischer Routineeingriff“, sagt Clayton Kraft. 500 Kliniken in Deutschland bieten das in ihrem medizinischen Leistungsspektrum an. Doch nur 20 davon – und dazu zählt jetzt auch die Helios-Klinik Hüls – arbeiten mit diesem neuen Verfahren. Und das biete klare Vorteile. „Wir können damit extrem individuell arbeiten“, erklärt Clayton Kraft.
Viele Patienten kämen erst in die Klinik, wenn der Leidensdruck schon sehr groß sei. Dazu zähle der Schmerz, die eingeschränkte Bewegung, aber auch der Abbau der Knochensubstanz meist durch Arthrose. Je später sich ein Patient operieren lasse, umso größer sei der Schaden im Knie. Dabei komme es auf größte Präzision beim Platzieren des Ersatzgelenks wie auch auf die optimale Spannung der Bänder am Knie an, um wieder beweglich und schmerzfrei zu werden.
Das neue MAKO-Computersystem unterstütze das Team dabei, den Eingriff mit größtmöglicher Genauigkeit durchzuführen. „Ich gebe die Kontrolle als Operator jedoch nicht aus der Hand“, sagt Clayton Kraft – und wie zum Beweis fragt das System bei seinem Demo-Einsatz, während es kurz innehält: „Sind Sie damit einverstanden, dass ich das jetzt tue?“. Das letzte Wort haben also weiterhin die Chirurgen.
Wie sehr der ärztliche Leiter des Ortho-Campus dem neuen Roboter-Assistenten inzwischen vertraut, zeigt der Moment, wo er während des Fräsvorgangs seine Finger vor das Blatt hält – und es sofort stoppt.
Diese Präzision ermögliche es, auch komplizierte Fälle zu operieren und die bestmögliche Position für das Ersatzgelenk zu finden. Auch werde das Weichgewebe des Knies geschont und der Eingriff knochensparender ausgeführt.
Etwa 15 Jahre hält derzeit eine Endoprothese. Clayton Kraft hofft, dass mithilfe dieser Operationstechnik weitere fünf Jahre dazu kommen. In den USA werden roboterunterstützte OP-Systeme schon seit mehr als zwölf Jahren eingesetzt; die Akzeptanz in Deutschland wachse jedoch erst seit zwei bis drei Jahren. Dennoch glaubt Clayton Kraft, dass dies das Verfahren der Zukunft sei. Schon jetzt gehe die Zahl der sogenannten Revisionsprothesen (Wechsel der Knieprothese) zurück. Das liege an den besseren Implantattechniken und den besseren Prothesen.
Ob eine Operation sinnvoll ist oder zunächst noch konservative (gelenkerhaltende) Maßnahmen angewandt werden können, klären die operierenden Ärzte in der Endoprothetik-Sprechstunde ausführlich. Auch wenn die OP mittlerweile ein Routine-Eingriff ist, ist sie dennoch ein chirurgischer Eingriff.