Meinung Seidenweberhaus: Entscheidung oder Euro-Grab
Diese Debatte spannt den Bogen von städtebaulichem Pragmatismus über industriegeschichtliche Visionen bis hin zu architektonischem Freigeist. Sie wirft Fragen nach dem Selbstverständnis und der Unabhängigkeit der Verwaltung als Motor einer modernen Stadt auf, bindet alle interessierten Bürger ein.
In ihr treffen unterschiedlichste Philosophien von Stadtentwicklung aufeinander, sie verbindet und schafft Identität. Die Politik muss sich privilegiert fühlen, über so viele interessante Varianten entscheiden zu können. Sie muss es nur bald tun, denn das Seidenweberhaus wird zur Kostenfalle.
Der Zuschussbedarf steigt jährlich und wird 2019 bei mehr als 800 000 Euro liegen. Je länger die Entscheidung über seine Entwicklung oder seinen Abriss hinausgezögert wird, desto höher sind die Risiken für Stadt und Steuerzahler. Die Verwaltung muss die entsprechenden Zahlen und Grundlagen jetzt erarbeiten, damit der Rat im November die Weichen stellen kann. Wohin ist völlig offen, alle Konzepte haben ihre Berechtigung.
Projekt Wagener: Das Kongresszentrum mit Veranstaltungshalle und Hotel sprüht jetzt nicht vor Esprit, bietet aber eine übliche moderne Optik und hat den großen Vorteil, alle Vakanzen in einem Projekt zu lösen. Der Theaterplatz bekommt sein neues Gesicht, Krefeld eine moderne Veranstaltungshalle, die Kombination hätte sicher auch Potenzial, den Wurmfortsatz jenseits der St. Anton-Straße zu beleben. Nicht alles, was Wagener in Krefeld angepackt hat, ist ein Erfolg geworden, aber der Mann hat für sein Projekt ausgesprochene Profis und finanzkräftige Investoren im Rücken, die wie Wagener selbst Interesse an viel Profit und wenig Risiko haben. Das Problem ist die Art der Kommunikation. Wagener schließt es aus, sich einem Wettbewerb zu stellen. Um den wird er aber kaum herumkommen, ganz gleich ob sich die Gelehrten noch über die Ausschreibungspflicht streiten.
Großen Applaus hat Wolf-Reinhard Leendertz für seinen Eventpark im Industriedenkmal geerntet. Ein Leuchtturm für Krefeld könnte das Kesselhaus werden, vor allem mit Blick auf das neue Gastro-Quartier mit Ginbar und Steakhaus, für das in den nächsten Tagen die Verträge unterschrieben werden sollen. Sympathisch ist der Plan, mit neuem Parkkonzept ein Problem für die Eishallen gleich mitzulösen. Allein: Bekommt das Kesselhaus den Zuschlag, steht immer noch ein marodes Seidenweberhaus auf dem Theaterplatz.
Die Vision von Carolin Krebber mit Markthalle, Studentenwohnheim und einem sanierten Hexagon-Objekt, das durch die Verlegung des Eingangs eine wirkliche Achse in die City bilden könnte, ist sehr charmant, aber wirtschaftlich noch gar nicht betrachtet. Und sie löst das Problem Veranstaltungshalle nicht.
Wer frei denken darf und sich mit lästigem Zahlenwerk nicht herumbalgen muss, kann wie Star-Architelt Amandus Sattler die Nase rümpfen über profitorientierte Investoren. Die Verwaltung kann das nicht, sie braucht in jedem Fall einen privatwirtschaftlichen Partner, um den Theaterplatz zu entwickeln. Krefeld macht in der Haushaltssicherung einen guten Job, trotzdem wackelt das Ziel der schwarzen Null. Das darf die Politik bei aller Euphorie nie aus den Augen verlieren.