Bücherei Uerdingen Heiligabend an der Bücherei statt unter dem Tannenbaum

Krefeld · Seit fünfeinhalb Jahren wünschen sich viele Uerdinger ihre Bücherei zurück. Deshalb findet jede Woche eine Montagslesung statt, am heutigen Weihnachtsabend zum 293. Mal.

Jana Heyer liest mit ihrer Tochter Kira bei der Montagslesung in Uerdingen an Heiligabend Christine Nöstlinger.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Welche Kräfte ein gemeinsamer Wunsch mobilisieren kann, das kann man jeden Montagabend in Uerdingen erleben: Nachdem die Bücherei am Marktplatz geschlossen wurde, lesen bei den Montagslesungen Mitglieder des Arbeitskreises „Erhalt der Bücherei Uerdingen“ und Sympathisanten seit dem 27. Mai 2013 für die Eröffnung eines Quartierszentrums mit städtischer Medienausleihe – „so wie im Juli 2014 vom Rat beschlossen“, sagt Susanne Tyll vom Arbeitskreis. Gelesen wird ununterbrochen, jeden Montag, seit fünfeinhalb Jahren, bei jedem Wetter. Und diesmal auch an Heiligabend. Es ist die 293. Montagslesung.

Für Jana Heyer, ihre zehnjährige Tochter Kira Kaluza und Oma und Schwiegermutter Cecilie Kaluza bedeutet das in diesem Jahr ein etwas anderes Weihnachtsfest. „Ja, es gibt Bescherung und auch Abendessen“, sagt Jana Heyer. Nur nicht wie gewohnt, am späten Nachmittag, sondern nach der Montagslesung. Von 18.30 bis 19 Uhr liest Familie Kaluza-Heyer vor dem Büchereigebäude aus „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“ der österreichischen, in diesem Jahr verstorbenen Autorin Christine Nöstlinger. Das Kinderbuch über eine fiese Gurke mit Armen und Beinen und einer Krone auf dem Kopf, die plötzlich auf dem Küchentisch der Familie Hogelmann sitzt, spielt nicht an Weihnachten, sondern an Ostern. Die Wahl sei darauf gefallen, weil es um eine Familiengeschichte geht, sagt Heyer. „Durch den Gurkenkönig werden Schwierigkeiten innerhalb der Familie offenbar, die einzelnen Familienmitglieder entwickeln sich weiter und verändern sich. Es ist ein Buch, das auf so vielen Ebenen spielt.“ Deshalb sei das Kinderbuch durchaus auch für Erwachsene spannend, findet die Uerdingerin. „Es sollte nicht so bierernst, aber trotzdem mit Tiefgang sein.“

Ohne Bücherei fehlt eine Anlaufstelle in Uerdingen

Für Familie Kaluza-Heyer spielt Lesen eine wichtige Rolle. Heyer liest mit beiden Töchtern gemeinsam Bücher. „Beim Lesen erfährt man fantasievolle Dinge, unternimmt Reisen in andere Welten, es entstehen Bilder im Kopf“, sagt die Mutter. Für den Arbeitskreis engagiert sie sich schon, seit klar war, dass die Uerdinger Bücherei von der Schließung bedroht ist. „Heute fehlt mir ein öffentlicher Anlaufpunkt in Uerdingen, ein Ort, an dem man Leute treffen und stöbern kann.“ Auch ihre damals erst fünfjährige Tochter habe die Schließung der Bücherei vor mehr als fünf Jahren mit den Worten bedauert: „Hier waren meine Lieblingsbücher drin.“

Susanne Tyll vom Arbeitskreis „Erhalt der Bücherei Uerdingen“ betont: „Der Wille ist eisern, wegen der zunehmenden Notwendigkeit erreichbarer städtischer Büchereien, nicht nur im Zentrum. Krefeld ist die einzige Stadt in NRW mit einer Einwohnerzahl von mehr als 200 000, die keine städtische Nebenstelle einer Bücherei hat.“ Dabei machten der Demografische Wandel und „zunehmende Lesearmut bei Kindern kurze Wege notwendig“, findet Tyll. Zudem gebe es einen Vereinigungsvertrag zwischen Krefeld und Uerdingen, „der nicht nur die Umbenennung der Stadt in Krefeld-Uerdingen zur Folge hatte, sondern auch den Erhalt der Bücherei“.

Die Montagslesungen vor dem Büchereigebäude, Am Marktplatz 5, sind eine Demonstrationsveranstaltung mit Genehmigung der Polizei, angelehnt an die ehemaligen Leipziger Montagsdemonstrationen.