Sprengung: Das Haus fällt wie eine Eins
Innerhalb von sechs Sekunden lag das frühere Wohnheim des Klinikums in Trümmern.
Krefeld. Es dauert nur Sekunden. Zwei Signale ertönen um 9.58 Uhr zur Warnung. Sie läuten den Countdown ein und lassen die vielen hundert Schaulustigen aufhorchen.
Kurz darauf knallt es zweimal laut schnell hintereinander in den ersten beiden Geschossen des alten Schwesternwohnheims. Die Mauern erzittern, knicken im unteren Bereich ein und das Haus fällt - wie geplant - leicht nach vorne geneigt in drei Teilen in sich zusammen.
Nur sechs Sekunden später liegt das 45 Meter lange, knapp 30 Meter hohe und 16 Meter breite Gebäude in Schutt und Asche.
Eine riesige rostrot-graue Staubwolke steigt aus dem zerfallenden Haus auf, vermischt sich mit dem leichten Nebel und zieht in Richtung Lutherkirche über die Stadt.
Dabei "pudert" sie Straßen, Autos und Häuser. Die meisten Schaulustigen stehen in einer langen Reihe auf dem Mittelweg der benachbarten Gartenanlage.
Sie haben ihren Standort auf der anderen Seite des Gebäudes gut gewählt. "Jaaaaa!", rufen sie nach dem großen Fall und klatschen begeistert Beifall. Die Vorbereitungen dauerten länger als nur wenige Sekunden, nämlich Wochen.
400 Sprenglöcher sind gebohrt, am Freitag mit Ammoniumsalpeter gefüllt und mit kilometerlangen Kabeln verbunden worden. Morgens sperrte die Polizei das Gebiet in einem 150-Meter-Radius ab.
Soweit könnten die Trümmer fliegen. Kurz vor zehn dann drückt der Sprengmeister von der Ecke Lutherstraße aus, in sicherer Entfernung also, auf den signalroten Knopf.
7000 Tonnen Beton und Eisen sind nur noch Schutt. Spreng-Unternehmer Helmut Roller: "Es lief genauso wie geplant." Zwei WZ-Leser hatten die Möglichkeit, das Spektakel vom Dach des Bettenhochhauses zu beobachten. Dort gab es den besten Blick auf das außergewöhnliche Geschehen.
Klaus Hüllenhagen freute sich vor der Sprengung: "Was man sonst nur im Fernsehen sieht, kann ich nun fast vor der Haustür erleben." Tanja Hoppe fühlt ein wenig Wehmut im Hinblick auf die Aktion:
"Ich arbeite hier im Haus als OP-Schwester, bin in der achten Etage des Schwesternwohnheims geschult worden und dort 15 Jahre ein- und ausgegangen. Die Kollegen beneiden mich um meinen Logenplatz."
Von hoch oben sehen sie, wie das Spreng-Team die letzte Runde dreht, die Polizei die angrenzenden Straßen sichert und die Rettungskräfte parat stehen. Auf den Parkhaus-Auffahrten sind unbemannte Kameras aufgestellt, und der Helikopter hat Landeverbot.
Nach der Sprengung geben zwei Signale akustische Entwarnung und sofort füllt sich der Bereich um das zerfallene Gebäude. Zum einen mit den ersten Baumaschinen, die den Schutt abtragen, zum anderen strömen Menschen aufs Gelände, gucken und zücken erneut die Kameras.
Auch die WZ-Leser, die sich freuen, so nah dabei gewesen zu sein. "Alle Achtung, das haben sie gut hingelegt", ist ihr Kommentar. An der Baustelle spielen Szenen ab wie beim Volksfest, nur ohne Bier und Brötchen.
Die Sprengung war gleichzeitig Startschuss für eine Großinvestition: Bis 2014 wird Helios rund 180 Millionen in die Erneuerung des Klinikums stecken. Der Abriss des Schwesternwohnheims war gleichzeitig Beginn des ersten Bauabschnitts.
Im Mai wird das zweite Personalhochhaus in konventioneller Weise abgerissen. Später sollen an diesen Stelle unter Einbindung des Operativen Zentrums zwei Bettenhäuser mit jeweils 20 000 Quadratmetern Geschossfläche stehen. "Die Inbetriebnahme des ersten Bauabschnitts ist für 2011 vorgesehen", so Geschäftsführer Hans-Walter Singer.