Drama von Krefeld Staatsanwaltschaft wirft 30-Jährigem Geiselnahme vor

Krefeld · Das Amtsgericht erlässt Haftbefehl gegen 30-Jährigen, der drohte seine Kinder vom Balkon zu werfen. Der Flüchtlingsrat spricht von einer Tragödie.

SEK-Einsatz in Krefeld
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Foto: NN

Nach der missglückten Abschiebung einer fünfköpfigen albanischen Familie ist am Donnerstagmittag Haftbefehl vom Krefelder Amtsgericht gegen den 30-jährigen Vater erlassen worden. Der Tatvorwurf der Krefelder Staatsanwaltschaft lautet Geiselnahme. Er sitzt in Untersuchungshaft.

Gegen die 27-jährige Ehefrau wurde Abschiebehaft von der Ausländerbehörde Krefeld beantragt. Sie wurde am Donnerstag in eine Abschiebeeinrichtung für Frauen in Hannover gebracht. Geprüft wird derzeit laut Oberstaatsanwalt Axel Stahl noch, ob sie sich wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte oder der Beihilfe zur Tat ihres Mannes schuldig gemacht habe. Sollte dies nicht der Fall sein, wird die Mutter voraussichtlich im Oktober gemeinsam mit ihren Kindern (2,3,5 Jahre alt) nach Albanien abgeschoben. Die drei Minderjährigen befinden sich derzeit in der Obhut des Krefelder Jugendamtes und werden in einer Unterkunft betreut und versorgt.

Abschiebung am frühen Morgen war nicht zu verlegen

Es ist die Fortsetzung eines Dramas, das die Familie auf unbestimmte Zeit auseinander reißen wird. Immer noch stellt sich die Frage, wie die Situation in der Wohnung der Familie am Mittwochmorgen so eskalieren konnte. Hätte der Vorfall gar verhindert werden können, wenn die Ausländerbehörde anders vorgegangen wäre? Die Verantwortlichen sagen ganz klar Nein.

Im Vorfeld hätte es keinerlei Hinweise gegeben, dass eine derartige Eskalation zu erwarten gewesen sei. Dennoch kamen die Mitarbeiter des Fachbereichs Migration und Integration im Beisein von jeweils zwei Polizeibeamten und Ordnungsamtmitarbeitern zur Wohnung der Familie. Laut Aussage der Polizei werde diese Vollzugshilfe bei Abschiebungen nicht generell von der Ausländerbehörde angefordert. „Jeder Fall wird einzeln geprüft, das Ausländeramt nimmt dazu eine eigene Gefahrenanalyse vor“, berichtet eine Polizeisprecherin.

Andreas Pamp, Leiter des Fachbereichs Migration und Integration, bezieht Stellung: „Ich bleibe bei der Aussage, dass es keine Anzeichen für eine solche Eskalation gegeben hat. Wäre dies der Fall gewesen, hätten wir sicherlich mehr als die zwei jetzt eingesetzten Beamten angefordert.“ Auch die frühe Uhrzeit, die Beamten klingelten um 5.45 Uhr an der Türe, hätte sich nicht vermeiden lassen. „Wir müssen uns an den Startzeiten der Maschinen orientieren, die die Menschen ausfliegen“, sagt Pamp. Die Vorgaben kämen von der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen in Bonn (ZAB) und seien für die Kommunen verbindlich. „Wir gehen so sensibel vor wie möglich, gerade wenn Familien mit jungen Kindern betroffen sind. Aber bei den Abschiebungsterminen- und zeiten gibt es keinen Ermessensspielraum.“

Christoph Bönders spricht von traumatischen Erlebnissen

Christopher Bönders vom Flüchtlingsrat bezeichnet die gesamte Aktion als „Tragödie“. „Man kann sich doch vorstellen, was mit den Kindern passiert, die werden traumatisiert sein, wenn solch ein Vorfall geschieht. Um das zu wissen, braucht man kein Psychologie-Studium absolviert haben. Meiner Meinung nach verstößt so ein Vorgehen gegen die UN-Kinderrechtskonvention.“ Den Mitarbeitern der Ausländerbehörde will er nicht zu nahe treten, sondern kritisiert den Gesetzgeber und die Verschärfungen des Asylrechts, die unangemeldete Abschiebungen überhaupt erst möglich gemacht hätten. „Wir bekommen hautnah mit, wie unmenschlich Abschiebungen für viele sind.“