NS-Deportation: Kurzfilmer will zu Festival nach Cannes

Für die Bearbeitung des Materials, das auch in Krefeld gedreht wurde, hofft Georg Höppner auf Zuschüsse.

Foto: Lukas Best

Krefeld. Auf der Stange eines Fahrrads wird die Jüdin Anni zum Todeszug gebracht. Vom Polizisten Schmidt, der ihr den Deportationsbefehl bringen sollte und dessen Motorrad den Geist aufgegeben hat. Das ist einer der entscheidenden Momente des Kurzfilms von Georg Höppner, der auf der Basis einer wahren Begebenheit beruht. In Hüls, auf dem kleinen Bahnhof, an dem sonst der Schluff hält, drehte der Filmemacher die Szene von den letzten Minuten der 60 Jahre alten Jüdin, bevor sie den Zug ins Konzentrationslager besteigt.

Insgesamt 60 Stunden Material kamen bei den Dreharbeiten im vergangenen Jahr in der Region zusammen. Jetzt steht die sogenannte Postproduktion an. „Nachbearbeitung, Schneiden, Vertonen müssen noch laufen“, berichtet Höppner zum Stand der Dinge. Alle seine Hoffnungen ruhen deshalb derzeit auf dem Landschaftsverband (LVR) Rheinland. Denn dort liegt sein Antrag auf Fördermittel. „Wenn das klappen würde und wir bei null rauskommen, das wäre toll“, sagt Höppern. Heute soll der LVR voraussichtlich darüber entscheiden.

„Es könnten 10 000 Euro an Fördermitteln möglich sein“, berichtet Produzentin Ewa Borowski. Für die fünf Drehtage hat die Kölner Filmproduktion Segeler & Borowski bisher rund 94 000 Euro an Sponsorengeld, Förder- und Eigenmitteln investiert.

Wenn alles gut läuft, will sich der Filmemacher mit dem Kurzfilm „Anrath“, denn dort hat er die Geschichte von Anni verortet, bei internationalen Filmfestivals in Cannes, Locarno und Los Angeles bewerben. Außerdem sei er bei einer positiven Entscheidung des LVR sicherlich irgendwann über die Portale des Landschaftsverbands zu bekommen.

Unterstützt wird Höppner bei seinem Antrag von der Stadt Krefeld. Denn sie sieht in dieser medialen Aufbereitung einen Ansatz für Gespräche zum Thema Judenverfolgung. Bisher habe die Krefelder NS-Dokumentationsstelle Villa Merländer mit Zeitzeugen arbeiten und Impulse für Gespräche über die Zeit des Nationalsozialimus finden können, doch das werde „aus demographischen Gründen immer schwerer“.

Höppner hatte in der Villa Merländer für seine Arbeit recherchiert. Anstoß für sein Projekt war der Bericht einer Krefelder Zeitzeugin, die erzählte, dass ihre Mutter oder Schwiegermutter zur Deportation nach Theresienstadt von dem „Judenreferenten“ der Krefelder Gestapo persönlich mit dem Fahrrad abgeholt worden wäre. Es habe damals von Anrath aus keine Verkehrsverbindung mehr gegeben.

Diese Geschichte inspirierte Höppner. Seinen Film entwickelte er dabei frei, gründete ihn aber auf die historischen Tatsachen. Ingrid Schupetta, Leiterin des NS-Dokumentationszentrums, findet besonders spannend, wie „nah Opfer und Täter beieinander sind, das wird in diesem Film schockierend klar“. Gerade auch für ihre Arbeit mit Schülergruppen hält sie einen solchen Film für einen guten Anstoß, um über die Judenverfolgung zu sprechen, „ohne von A bis Z alles zu erklären“. Ein solcher Film verringere die Distanz zwischen den Jugendlichen und den für sie sehr weit zurückliegenden Ereignissen.