Verein Schlaraffia Crefeldensis macht „intelligenten Blödsinn“
Uerdingen · Die Vereinigung mit Sitz in Uerdingen ist nicht ganz leicht zu verstehen. Ein Versuch.
. „Ein bisschen merkwürdig ist dieser Verein ja schon.“ Wer so über Schlaraffia Crefeldensis spricht, meint es ganz sicher nicht böse. Er hat die Sitten, Rituale und Sprache dieser altehrwürdigen Vereinigung, die ihren Sitz im denkmalgeschützten „Et Klöske“ in Uerdingen hat, einfach nicht durchblickt. Was Wolfgang Lieb, seit 1961 dabei und zehn Jahre lang „Oberschlaraffe“ in Krefeld, sehr gut nachvollziehen kann. „Nach meinem dritten Besuch habe ich zu meiner Frau gesagt: Ich habe das immer noch nicht verstanden“, erinnert er sich schmunzelnd. Denn, so ergänzt sein Vereinskollege Rochus Kralik Ritter von Meyrswalden, „der Umgang untereinander ist anfangs fremd“.
Die Mitglieder nennen sich
Ritter und tragen Kunstnamen
Intelligenten Blödsinn machen – so lässt sich umschreiben, was bei den regelmäßigen Treffen der Schlaraffia, den „Sippungen“, passiert. „In arte voluptas“ (in der Kunst des Vergnügens) lautet der Wahlspruch – und oft genug bestehe die Kunst auch darin, Freundschaft mit Humor zu ertragen, spöttelt von Meyrswalden.
Das fängt schon bei den Kunstnamen an, die die Mitglieder, Ritter genannt, tragen. Aus Wolfgang Lieb wird da „Carus der Pittoreske“, von Meyrswalden, der „Oberschlaraffe des Inneren“, heißt „Ritter Binschon vom böhmischen Glase“ – denn er ist ja von Hause aus schon ein Ritter. Und Jochen Spenke, als „Kantzler“ für den Schriftverkehr zuständig, ist der Ritter Navigrande. Mit ihren eigentlichen Namen legen die Schlaraffen auch ihre „profane Identität“ ab, sind keine Ärzte, Bankangestellte oder Geschäftsleute mehr, sondern laben Quell und Lethe (trinken Wein und Bier) und stoßen an, nachdem sie sich zuvor mit einem herzlichen „Lulu“ begrüßt haben.
Das ungewöhnliche, aber sehr vergnügliche Treiben geht auf das Jahr 1849 zurück, als in Prag von Musikern und Schauspielern die Vereinigung gegründet wurde. Von der offiziellen Künstlervereinigung „Arcadia“ waren sie zuvor als Proletarier abgelehnt worden. Ins Leben gerufen wurde die Schlaraffia dann, um mit Humor die damalige Überheblichkeit der Obrigkeit aufs Korn zu nehmen – eine Tradition, an der sich bis heute nichts geändert hat.
Aktuell hat die Vereinigung weltweit rund 9500 Mitglieder, die sich in örtlichen Gruppen, „Reyche“ genannt, treffen. Es wird ausschließlich Deutsch gesprochen. Die „Schlaraffia Crefeldensis“ ist mehr als 100 Jahre alt und hat aktuell 64 Mitglieder.
Nachwuchs zu finden, gestaltet sich zunehmend schwieriger. Neue Mitglieder müssen durch einen Ritter als „Pilger“ eingeführt werden. Nach einer Prüflingszeit erfolgt per Abstimmung, „Kugelung“ genannt, die Aufnahme in die Vereinigung. Dort führt der Weg vom Knappen über den Junker bis zum Ritterschlag. Ausschließlich Männer können Schlaraffe werden – damit bleibe auch das „Gockelgehabe“ draußen, dass diese sonst in Anwesenheit von Frauen gerne an den Tag legten, sagt Ritter Binschon.
Die wöchentlichen Treffen im als Rittersaal prächtig hergerichteten „Klöske“ finden ausschließlich zwischen den Monaten Oktober und April statt – in der Sprache der Schlaraffen „Winterung“ genannt. Während dieser Sippungen gibt es „zur gegenseitigen Erheiterung und Ergötzung“ Vorträge in literarischer, musikalischer oder künstlerisch-darstellender Form. Berufliches, Politik und Religion sind aber tabu. In „Et Klöske“ geht es am 7. Oktober wieder los, immer montags finden dort die Treffen statt. Ein alter Brauch bei den Schlaraffen ist es, besondere Persönlichkeiten posthum mit dem Titel „Ehrenschlaraffe“ auszuzeichnen. Unter anderem Heinz Erhardt, Goethe, Schiller und Karl May wurden auf diese Weise geehrt.
Die „Schlaraffia Crefeldensis“ hat kürzlich ebenfalls eine solche „Erkürung“ beschlossen: Der Maler Heinrich Campendonk, Mitglied der Gruppe „Blauer Reiter“, wird zum „Farben-Camp“. 1913, dem Gründungsjahr der Crefeldensis, hatte der Krefelder sich an der Ausstellung „Rheinische Expressionisten“ in Bonn beteiligt. In der Villa Merländer ist von ihm ein Wandbild erhalten. Auch Glasfenster hat er gestaltet, was auch auf „Jupp“ Strater und seinen Sohn Josef Strater zutrifft, der als Ritter Detnix der Crefeldensis angehört.
Im Uerdinger Rittersaal soll das berühmteste Selbstbildnis von Campendonk, das ihn mit Narrenkappe zeigt, als Kopie aufgehängt werden. Unterstützung dafür hat man sich schon von Gisela Geiger, Leiterin der Campendonk-Sammlung, geholt.
Und wer könnte besser in die Uerdinger „Burg“ der Schlaraffen passen als ein Künstler mit Narrenkappe?